Neun von zehn Deutschen finden Entwicklungszusammenarbeit wichtig, vier von zehn wünschen sich, dass die Bundesregierung noch mehr gegen die Armut in der Welt unternimmt und sieben von zehn sind dafür, dass die deutsche Entwicklungshilfe mindestens 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung entspricht. Andererseits haben viele Deutsche offenbar keine Ahnung, wovon sie da reden: Nur 20 Prozent schätzen den Anteil der Entwicklungshilfe am Bundeshaushalt richtig ein, zu Fragen internationaler Entwicklung gibt es erhebliche Wissenslücken und Fehlwahrnehmungen und kaum jemand weiß, was die UN-Nachhaltigkeitsziele sind. Das sind die zentralen Ergebnisse des jüngsten Aid Attitudes Tracker, die das Deutsche Evaluierungsinstitut für die Entwicklungszusammenarbeit (DEval) erstmals für das deutsche Publikum in einem Bericht aufbereitet hat.
In Deutschland ist die Zustimmung zur Entwicklungszusammenarbeit im internationalen Vergleich sehr hoch; das bietet nach Ansicht des DEval die Gelegenheit, vor allem über das „wie“ zu sprechen, da vom „ob“ nicht mehr viele überzeugt werden müssen. Überzeugt werden müssen die Deutschen allerdings noch von der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit: Nur 10 Prozent halten sie für wirksam, 25 Prozent halten sie für unwirksam, während sich die Mehrheit sich zwischen diesen beiden Extremen verortet.
Um das Bild zu differenzieren, unterscheidet das DEval vier Typen, mit denen sich die Einstellungen zur Entwicklungszusammenarbeit zusammenfassen lassen: 14 Prozent der Deutschen unterstützen die Entwicklungszusammenarbeit, 35 Prozent sind unschlüssig, 23 Prozent zählt das DEval zu den Skeptikern und 28 Prozent zu den Gegnern. Eine solche Unterteilung sei hilfreich, heißt es in dem Bericht, um etwa in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit einzelne Typen gezielt anzusprechen. So müsse der „Skeptiker“ möglicherweise stärker über die Wirkung von Entwicklungszusammenarbeit informiert werden, während es beim „Gegner“ darum gehe, die Notwendigkeit zu begründen.
Nur fünf Prozent wissen über Armutszahlen Bescheid
Zu Fragen internationaler Entwicklung klaffen bei den Deutschen teils erheblich Wissenslücken, stellt das DEval fest. So glauben fast zwei Drittel, dass sich die Zahl der in absoluter Armut lebenden Menschen weltweit in den vergangenen 20 Jahren um ein Viertel erhöht oder sogar verdoppelt hat. Tatsächlich hat sich diese Zahl aber fast halbiert, was nicht einmal fünf Prozent der Deutschen wissen.
Auch über die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) wissen nur sehr wenige Deutsche etwas. Etwas mehr als die Hälfte hatte im Sommer 2017 noch nie von den Zielen gehört, weniger als 10 Prozent gaben an, sie wüssten von den Zielen und hätten eine Vorstellung von ihrem Inhalt. Bemerkenswert ist, dass diese Umfragewerte sich kaum verändert haben, seit die Ziele 2015 verbschiedet wurden. Das bedeutet, dass es nicht gelungen ist, die SDGs über die Medien oder entwicklungspolitische Bildungsarbeit in Deutschland bekannt zu machen.
Das Interesse steigt, wenn man selbst etwas tun kann
Das DEval kommt zu dem Schluss, dass die Agenda 2030 bei der deutschen Bevölkerung „noch nicht angekommen“ ist. Das Institut empfiehlt, in der Informations- und Bildungsarbeit zu den SDGs den Bürgern zu zeigen, wie sie selbst zu den Zielen beitragen können, etwa durch umwelt- und entwicklungspolitisches Engagement oder durch bewussten Konsum. Denn nach Ansicht des DEval zeigen die Umfrageergebnisse, dass das Interesse steigt, wenn die Menschen das Gefühl haben, selbst etwas für die Agenda 2030 tun zu können.
Der von der Gates-Stiftung finanzierte Aid Attitudes Tracker erfasst seit 2013 alle sechs Monate in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den USA Einstellungen und Wissen der Bevölkerung zu entwicklungspolitischen Themen.
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