Ende Februar hat die äthiopische Regierung das umstrittene neue Gesetz zur Regulierung von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) in Kraft gesetzt. Es sieht empfindliche Beschränkungen der politischen Arbeit von NGOs vor und droht mit saftigen Strafen. Unklar ist aber, wie konsequent die Regierung die neuen Vorschriften anwenden wird.
Das Gesetz unterscheidet zwischen drei Arten von NGOs: lokalen, die sich zu mehr als neunzig Prozent aus inländischen Quellen finanzieren; „äthiopisch geführten", die zwar in äthiopischer Hand sind, aber mehr als zehn Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten; und ausländischen Organisationen. Artikel 14 listet fünfzehn Arbeitsbereiche für NGOs in Äthiopien auf, darunter auch politische Aufgaben wie die Förderung der Menschenrechte, Konfliktbearbeitung, die Gleichstellung der Geschlechter und Religionen sowie Fragen der Justiz und der Polizei. In Absatz 5 des Artikels heißt es dann jedoch unvermittelt, um diese Aufgaben dürften sich nur lokale NGOs kümmern. Das sind in Äthiopien freilich entweder nur sehr kleine oder aber staatsnahe Organisationen, die von der Regierung gefördert werden.
Unter äthiopischen NGOs sorgt das Gesetz für erhebliche Verunsicherung, denn sie alle müssen sich innerhalb eines Jahres neu registrieren lassen. Eine neue Aufsichtsbehörde soll das Gesetz umsetzen, und niemand wagt im Moment zu sagen, wie rigide sie das Verbot politischer Arbeit von aus dem Ausland geförderten Organisationen durchsetzen wird. Deshalb will dazu auch niemand namentlich zitiert werden. Eine Mitarbeiterin einer ausländischen Geberagentur berichtet, sie bekomme seit einiger Zeit verstärkt Jobgesuche von äthiopischen NGO-Mitarbeitern, die für ihre Organisationen keine Zukunft mehr sähen.
Bereits vor sechs Jahren hatte die Regierung ein Gesetz zur Regulierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen entworfen. Die NGOs hatten dieses Vorhaben damals unterstützt, weil auch ihnen an Rechtssicherheit gelegen war. Noch heute sagt der Vertreter eines NGO-Dachverbands im Süden des Landes, prinzipiell sei nichts dagegen einzuwenden, dass die Regierung nichtstaatliche Organisationen kontrollieren wolle, um zum Beispiel Korruption zu verhindern. Der erste Gesetzentwurf verschwand aber in der Schublade und wurde nie weiter bearbeitet.
Im vergangenen Jahr legte die Regierung dann eine neue und wesentlich strengere Fassung vor. Auch darüber führte sie Gespräche mit den NGOs, in deren Verlauf einige Verbesserungen durchgesetzt werden konnten, wie ein Beobachter der Verhandlungen sagt. Dennoch gab es bis zur Verabschiedung erhebliche Proteste gegen das Gesetz - und zwar nicht nur wegen des faktischen Verbots politischer Arbeit. Die NGOs kritisieren auch die strengen Bedingungen, unter denen sie künftig eigene Einnahmen erzielen dürfen, und die drakonischen Haft- und Geldstrafen, die das Gesetz für Verstöße vorsieht. Sie monieren außerdem, dass nur lokale Organisationen vor Gericht Widerspruch gegen Entscheidungen der geplanten NGO-Aufsichtsbehörde einlegen können. Alle anderen hingegen bleiben ohne Rechtsschutz. Laut einer Stellungnahme der NGO-Task-Force, die die Gespräche mit der Regierung begleitet hat, verstößt das Gesetz in mehreren Punkten gegen die äthiopische Verfassung.
Die Regierung hat keinen Hehl daraus gemacht, dass sie den „neoliberalen Einfluss" von aus dem Ausland finanzierten NGOs auf die äthiopische Politik unterbinden will. Ein wesentliches Motiv für das Gesetz waren die Wahlen 2005, bei denen die Regierungspartei EPRDF erstmals echten Gegenwind spürte und die zu schweren Unruhen im Land führten. Die Regierung wirft etlichen zivilgesellschaftlichen Gruppen vor, sie hätten sich damals auf die Seite der Opposition gestellt und damit ihr Mandat überschritten.
Unklar ist derzeit, ob die Regierung konsequent jegliche politische Arbeit von nicht lokalen NGOs unterbinden will oder ob sie das Gesetz eher als Knüppel im Sack versteht, der nur bei Bedarf gezückt wird. Ein deutscher Landeskenner sagt, möglicherweise gebe es eine Art schwarze Liste jener Organisationen, die der Regierung seit den Wahlen 2005 ein Dorn im Auge sind und gegen die sie nun - auch mit Blick auf die nächsten Wahlen 2010 - gezielt vorgehen will.
Innerhalb der Regierung gibt es durchaus widersprüchliche Tendenzen im Umgang mit politisch agierenden NGOs. So arbeitet das Ministerium für föderale Angelegenheiten seit einiger Zeit an einer landesweiten Strategie zur Vorbeugung von Konflikten, in der auch zivilgesellschaftliche Kräfte eine Rolle spielen sollen. Unterhalb der nationalen Ebene haben staatliche Stellen ohnehin weniger Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit NGOs. „Die Regionaladministration weiß selbst nicht so genau, was sie mit dem Gesetz anfangen soll", sagt der Mitarbeiter des NGO-Dachverbands im Süden des Landes. „Bislang sind wir nämlich ganz gut miteinander ausgekommen. Und jetzt soll sie plötzlich gegen uns vorgehen."
(ell)