Die bisherige Opposition hat die Präsidentschaftswahlen in Ghana im Dezember mit einem dünnen Vorsprung von weniger als einem Viertelprozentpunkt gewonnen. Damit gelang dem westafrikanischen Land zum zweiten Mal ein mit demokratischen Mitteln herbeigeführter, friedlicher Machtwechsel. Künftig wird der 64 Jahre alte Professor John Evans Atta Mills in Accra regieren.
Wie bei früheren Wahlen hatte der Ghanaische Christenrat (CCG) auch 2008 wieder lokale Wahlbeobachter und -beobachterinnen ausgebildet und eingesetzt. Diesmal steuerte der Rat 370 von den insgesamt 4000 lokalen Wahlbeobachtern bei. So konnten der erste Urnengang am 7. Dezember und die Stichwahl drei Wochen später zwischen Atta Mills und Nana Akufo Addo von der bisher regierenden NPP in immerhin fast 20 Prozent der etwa 21.000 Wahllokale von neutralen Beobachtern aus der Zivilgesellschaft überwacht werden.
Reverend Fred Deegbe, der Generalsekretär des CCG, weist darauf hin, dass die ghanaischen Kirchen schon während des Ringens um die Unabhängigkeit – das in Ghana weitgehend friedlich verlief – auf Seiten der Freiheitsbewegung standen. „Doch dabei sind wir nicht stehen geblieben“, sagt Deegbe. Als der erste Staatspräsident Kwame Nkrumah die Einparteienregierung eingeführt habe, hätten die Kirchen dagegen opponiert. Und auch später, etwa während der Präsidentschaft von Jerry John Rawlings in den 1980er und 1990er Jahren, haben die Kirchen laut Deegbe nicht stillgehalten, wenn sie mit der Regierungspolitik nicht einverstanden waren.
Der frühere Kampfpilot Rawlings hatte sich 1981 in Accra an die Macht geputscht. 1992 stellte er sich dann einer Wahl, in der er erwartungsgemäß als Präsident bestätigt wurde. Von 1996 an galten die Wahlen in Ghana jedoch als weitgehend frei und fair. 2000 unterlag Rawlings Partei, der Nationale Demokratische Kongress (NDC), der Neuen Patriotischen Partei (NPP). Der Regierungswechsel verlief friedlich, das Land hatte seinen ersten wichtigen Demokratietest bestanden.
„Auch heute beschränkt sich unser Engagement nicht auf Wahlbeobachtung“, sagt Ruby Dagadu, die CCG-Programmdirektorin. „Wir informieren Wählerinnen und Wähler und bieten Erwachsenenbildung und Staatsbürgerkunde an.“ Besonderes Gewicht lege der Rat auf die Gender-Komponente in seiner Arbeit, erklärt Dagadu, denn immer noch seien Frauen in Ghana stark unterrepräsentiert. In der neuen Legislaturperiode stellen sie nicht einmal zehn Prozent der Parlamentarier. In Zusammenarbeit mit der Regierung hat der Rat zudem ein Governance-Programm aufgelegt, in dem es vor allem darum geht, hohe Beamte und Regierungsmitglieder für ihre Verantwortung zu sensibilisieren. Das zentrale Thema, so Dagadu, sei Korruption, aber auch Minderheiten- und Menschenrechte würden angesprochen.
Wenn es um Demokratie geht, sind sich die Kirchen laut Dagadu in Ghana im Großen und Ganzen einig – einschließlich Pfingstkirchen und Katholiken. Es gebe aber immer wieder einzelne Repräsentanten von Kirchen und kirchlichen Organisationen, die einer der beiden großen Parteien angehören und deshalb parteiisch seien. „Und vielleicht hätten die Kirchen bei einigen Problemen während der NPP-Regierung unter John Kufuor genauso deutlich Kritik üben sollen wie gegenüber Rawlings.“ Wichtigstes Ziel der ghanaischen Kirchen bleibt für Ruby Dagadu die Stärkung der Menschenrechte. Vielleicht, so hofft sie, „wird es nach den erfolgreich verlaufenen Wahlen ja noch ein wenig selbstverständlicher, sie einzufordern“.
Die neue Regierung wird sich aber vor allem um wirtschaftliche Fragen kümmern müssen. In Ghana leben 55 Prozent der Menschen von der Landwirtschaft; auf die Industrieproduktion entfallen nur rund 20 Prozent der ghanaischen Wertschöpfung. Und Atta Mills wurde vor allem von jenen Bevölkerungsgruppen gewählt, bei denen das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre nicht angekommen ist. Sie an der gesellschaftlichen Entwicklung teilhaben zu lassen, ist kompliziert. Accra dürfte es wegen der internationalen Finanzkrise zudem in Zukunft schwerer haben, das Defizit in der ghanaischen Außenhandelsbilanz zu finanzieren. Da helfen auch die derzeit hohen Preise für die beiden wichtigsten Exportgüter des Landes, Gold und Kakao, nur wenig. Zwar will Ghana ab 2010 Öl fördern (siehe welt-sichten 9/2008, S. 37), doch der mögliche Streit um die Verteilung der Öleinnahmen könnte die junge Demokratie vor eine neue und harte Probe stellen. Uwe Kerkow