Vor den Küsten Senegals, Mauretaniens und Ghanas machen nicht Piraten die Gewässer unsicher, sondern Hochseetrawler, vor allem aus Europa. Sie plündern – in der Regel sogar ganz legal – die Fanggründe der einheimischen Fischer. Wenn sich das nicht ändert, dann ist auch vor Westafrikas Küsten bald mit Piratenangriffen arbeitsloser Fischer zu rechnen, warnt EED-Mitarbeiter Francisco Mari, der für ein Lobbyprojekt des Hilfswerks in der Region recherchiert hat.
„Unsere Situation wird immer schwieriger, weil die Mengen, die die Fischer fangen, immer kleiner werden und nicht reichen für alle Frauen, die im Handel und in der Verarbeitung tätig sind. Auf den Märkten wird außerdem immer mehr stinkender Beifang – zerquetschte Klein- und Jungfische – zu Billigstpreisen angeboten. Das verdirbt uns die Preise.“ Josephine Opare Addo ist Vorsitzende der Vereinigung Fischverarbeitender Frauen der Region Cape Coast in Ghana. Ende vergangenen Jahres hat sie in Conakry in Guinea vor der Konferenz der Kleinfischer Westafrikas auf die Sorgen der Händlerinnen und Räucherei-Betreiberinnen aufmerksam gemacht, die in noch größerer Zahl als die Fischer selbst vom guten Fang vor ihren Küsten abhängen.
In Nigeria gibt es bereits erste Piratentrupps aus arbeitslosen Fischern; wegen der Ölförderung gelangen sie nicht mehr in ihre Fischgründe. Andernorts müssen die Fischer immer weiter hinausfahren, um überhaupt noch auf größere Fischschwärme zu stoßen. Ihre Berufsvereinigungen erfahren deshalb immer größeren Zulauf und die Verbände beginnen sich regional zu vernetzen.
Die Konferenz in Conakry war die bisher größte ihrer Art und widmete sich vor allem der EU-Fischereipolitik. Kleinfischer aus praktisch allen Küstenstaaten der Region klagen über das legale und illegale Eindringen von Großfischern, die das Meer bis auf den Grund abfischen, in die von ihnen genutzten Gewässer. Weil immer weniger Fischschwärme die küstennahen Gewässer erreichen, zieht es die Jugend weg von der niedergehenden Fischerei. Teilweise legen ganze Dörfer ihr Geld zusammen, um jungen Männern die große Fahrt nach Europa zu finanzieren in der Hoffnung, dass sie dort Arbeit finden.
Die Fischer der Region bewerten die Fischereiabkommen ihrer Regierungen mit der EU gemischt. Immerhin sehe das Abkommen für Ghana Unterstützung im Kampf gegen illegale ausländische Trawler vor, betonen ghanaische Fischer. Auch Mauretanien habe von den Geldern aus dem EU-Abkommen durchaus profitiert: Die eigene Küstenfischerei habe damit grundlegend modernisiert werden können. Senegals traditionell besonders stark organisierte Fischer sind skeptischer: Ihre Regierung hat das Abkommen gerade gekündigt, weil die EU wegen schrumpfender Fischmengen jetzt auch weniger Geld zahlen will.
Zusammengetragen hat diese Stimmen EED-Mitarbeiter Francisco Mari, der die Konferenz in Conakry besucht und zuvor in den Küstenstaaten recherchiert hat. Mari arbeitet an einer Position für die künftige EED-Lobbyarbeit zur EU-Fischereipolitik. Die Stoßrichtung einer gemeinsamen Kampagne mit europäischen Organisationen will der EED dieses Jahr beim Kirchentag in Bremen der Öffentlichkeit vorstellen, Grundzüge stehen aber schon fest: Die Hilfswerke werden fordern, dass die Fischgründe vor Afrikas Küsten in erster Linie der Versorgung vor Ort dienen müssen, denn proteinreiche Nahrung ist dort überall dringend vonnöten. Regionale Handelsstrukturen sowie Verarbeitungsmöglichkeiten müssen ausgebaut werden. Bettina Stang