Sonnige Aussichten, vom Gaza-Krieg getrübt

Der jüngste Gasstreit zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Union im Januar hat es einmal mehr gezeigt: Die Europäische Union hat guten Grund, nach Alternativen zu Energieimporten aus Osteuropa zu suchen. Und die sieht sie unter anderem in Sonnenenergie aus dem Mittelmeerraum. Der sogenannte Solarplan ist eines der wichtigsten Vorhaben der neuen Union von EU und Mittelmeer­anrainern.

Für Ralf Christmann vom Bundesministerium für Umwelt steht fest: „Der Mittelmeerraum bietet für erneuerbare Energien ein enormes Potenzial.“ Christmann ist einer der Experten, die derzeit an der inhaltlichen Substanz der neuen „Mittelmeerunion“ tüfteln. Gut ein halbes Jahr ist es her, dass die Union in Paris formell aus der Taufe gehoben wurde. Ihr gehören neben den 27 EU-Ländern 16 Staaten aus Nordafrika, dem Balkan und dem Nahen Osten an. Jetzt geht es darum, die Projekte festzuzurren, die der Union Leben geben sollen. Und der Energiesektor spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Die Idee klingt faszinierend: „Solarplan für das Mittelmeer“ ist das entsprechende Kapitel in den EU-Dokumenten betitelt. Dahinter steht das Wissen, dass allein auf die Wüste Sahara so viel Sonnenenergie trifft, dass damit theoretisch die ganze Welt mit Strom versorgt werden könnte. Das haben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der „Club of Rome“ schon vor Jahren ausgerechnet.

Es wäre also vorstellbar, ein Netz von solarthermischen Kraftwerken zu errichten und Stromleitungen von der Sahara nach Europa zu verlegen. Europa könnte damit den Anteil erneuerbarer Energien an seinem Energiemix ausbauen und seine Solarindus­trie fördern. Die südlichen Länder könnten Energie für den Eigenbedarf ebenso wie für den Export produzieren. Mit der Restwärme der Kraftwerke ließe sich eventuell sogar aus Meerwasser Trinkwasser herstellen.

Laut einem Zeitplan der EU-Kommission sollen die Kraftwerke rund um das Mittelmeer bis 2020 rund zwanzig Gigawatt Strom produzieren. Das entspricht etwa der Leistung von zwanzig Atomkraftwerken. Das Vorhaben klingt wie ein modernes Utopia – „und entsprechend weit ist der Weg dorthin“, wie ein Brüsseler EU-Beamter einräumt. Die Finanzierung ist zu stemmen und günstige Rahmenbedingungen in den südlichen Ländern sind zu schaffen. Ende November hatte in Paris eine erste Finanzierungskonferenz für den Plan stattgefunden. Laut Ralf Christmann soll bei der Finanzierung die Europäische Investitionsbank (EIB) wohl eine Schlüsselrolle spielen.

Ein gravierendes Problem allerdings war der Krieg zwischen Israel und den Palästinensern im Gaza-Streifen. Er hat dafür gesorgt, dass bereits geplante Treffen der Unionsteilnehmer wieder abgesagt wurden. Erst wenn sich die Lage in Gaza wieder beruhigt, wird auch das Generalsekretariat der Mittelmeerunion in Barcelona endlich seine Arbeit aufnehmen können. Ein Generalsekretär muss bestimmt werden, im Gespräch ist der jordanische Ex-Minister für öffentliche Reform, Ahmad Masadeh. Eine der wichtigsten Aufgaben des Sekretariats soll es sein, private Investoren für die Projekte der Mittelmeerunion aufzutreiben.

Und es muss sämtliche Teilnehmer zur Kooperation motivieren. Während die EU-Kommission offiziell den politischen Willen der Süd-Länder lobt, äußern Diplomaten teils eine andere Einschätzung. „Nehmen Sie Marokko“, sagt ein deutscher Beamter, der sich intensiv mit der Mittelmeerregion auseinandersetzt. „Das Land hat gute bilaterale Beziehungen in der Nachbarschaftshilfe, etwa mit Spanien. Es befürchtet, dass diese sich zugunsten eines vagen Projekts auflösen.“

Tatsächlich stellt sich die Frage, ob der Mittelmeer-Union mehr Erfolg beschieden sein wird als ihrer Vorgänger-Konstruktion, dem „Barcelona-Prozess“. Zumindest ist sie auf einer höheren politischen Ebene angesiedelt. Das könnte sich auch auf die Projekte auswirken, die außer dem Solarplan noch vorgesehen sind: So soll es gemeinsame Initiativen zur Säuberung des Mittelmeers und neue Hafen- und Autobahnprojekte geben. Geplant ist auch eine Zusammenarbeit beim Katastrophenschutz – was unter anderem deshalb bemerkenswert ist, weil sie sich auf den militärischen Bereich erstreckt. Isabel Guzmán

erschienen in Ausgabe 2 / 2009: Migration: Zum Schuften in die Fremde

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