Mit Beschluss vom Dezember hat die Europäische Union ihre Beziehungen zu Israel deutlich aufgewertet. Das soll einem der wesentlichen Ziele der neuen Mittelmeerunion dienen: die Rolle der EU als Vermittlerin im Nahostkonflikt zu stärken. Ob das gelingt, ist aber fraglich, denn zur anderen Seite in dem Konflikt, zur Palästinenserbewegung Hamas, lehnt die EU jeden Kontakt ab. Zugleich hat sie mit ihrer hinhaltenden Haltung erneut die Türkei brüskiert – die einzige Macht im Nahen Osten, die dort als einigermaßen neutral gilt.
Am 3. Dezember hatte das EU-Parlament angesichts der zunehmenden Spannungen in Gaza in einem von den meisten Fraktionen getragenen Beschluss verlangt, jede Aufwertung der Beziehungen zu Israel auszusetzen. Dennoch beschlossen die Außenminister der Union auf ihrer Ratstagung wenige Tage später, die israelischen Wünsche nach besonderen Beziehungen zur EU zu erfüllen: Mindestens zwei jährliche Gipfeltreffen, Zutritt der israelischen Vertretung zum innersten Zirkel der EU-Außen- und Sicherheitspolitik, wenn sicherheitspolitische Fragen zu Nahost auf der Tagesordnung stehen, sowie Teilnahme der israelischen Regierung an einer Vielzahl von EU-Programmen in Bereichen wie Handel sowie Forschung und Technologie. Allerdings hat die EU Mitte Januar laut dem EU-Gesandten in Tel Aviv wegen des Krieges in Gaza den Ausbau der Beziehungen zu Israel auf unbestimmte Dauer ausgesetzt.
Eine erste Vorlage für den EU-Außenministerrat Mitte Juni 2008 zur Aufwertung der Beziehungen hatte noch zu erheblichen Differenzen zwischen den EU-Regierungen und zu kritischen Fragen aus dem EU-Parlament geführt und wurde deshalb vertagt. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy trieb das Vorhaben dann aber während der französischen EU-Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2008 mit Nachdruck voran mit dem Ziel, die Parteien im Nahostkonflikt in die neue Mittelmeerunion einzubinden. Bei deren Gründung Mitte Juli hatten in der Tat die Regierungschefs Syriens und Israels teilgenommen; zu der Zeit war gerade der Waffenstillstand zwischen Israel und den Palästinensern in Gaza zustande gekommen.
Hektische Diplomatie
Als Israel Ende Dezember den Krieg gegen die Hamas begann, bemühte sich die französische Diplomatie zwar hektisch um Schadensbegrenzung. Ein skandinavischer EU-Vertreter gab aber zu bedenken, es sei „doch deutlich geworden, dass die forcierte Aufwertung dem Versuch der Vermittlung und dem Ansehen der EU in dieser Rolle nicht gerade geholfen hat“. Ebenso wenig hilfreich dürfte der Umstand sein, dass EU-Offizielle mit der anderen Konfliktpartei noch nicht einmal reden dürfen: Die Hamas, 2006 als politische Führung der Gaza-Behörde gewählt, steht seit 2003 auf der Terroristen-Liste der EU. EU-Entwicklungskommissar Louis Michel hat der israelischen Regierung unterdessen vorgeworfen, mit dem Krieg das Völkerrecht zu missachten.
Auch Sarkozys Umgang mit der Türkei dürfte die politische Rolle der Mittelmeerunion eher schwächen. Der französische Präsident hatte einen EU-Beitritt der Türkei mehrfach schroff zurückgewiesen. Die Einladung zur Mitgliedschaft in der Mittelmeerunion war deshalb von Ankara als Verweis auf den zweiten Rang aufgefasst worden. Die Türkei ist aber in der Nahostregion die einzige Macht, die bei allen Konfliktparteien als mehr oder weniger neutral gilt. Heimo Claasen