Von Barbara Unmüßig
In den vergangenen Jahren sind die Mittel für Entwicklungspolitik und für den Klimaschutz deutlich gestiegen. Das ist gut so. Schlecht ist, dass ständig neue Instrumente und Fonds geschaffen werden, dieses Geld auszugeben. Das erschwert eine kohärente Politik für Armutsbekämpfung und Klimaschutz. Auf globaler Ebene lässt sich das Problem kaum lösen, weil die Mängel schon in den einzelnen Staaten bestehen, wie das Beispiel Deutschland zeigt.
Sind mehr Mittel für Entwicklungspolitik und Klimaschutz gut? Einerseits ja: Endlich nehmen Regierungen und private Stiftungen mehr Geld für die Jahrhundertaufgaben Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Lösung der Ressourcenkrise in die Hand. Andererseits wächst mein Unbehagen, mich den Forderungen nach mehr Geld anzuschließen. Das System der globalen Finanztransfers ist unüberschaubar und unsteuerbar geworden, konstatieren Insider des Entwicklungshilfegeschäfts. Zu viele Akteure, zu viele Strategien, zu viele Interessen, zu wenig Aufnahmekapazitäten.
Konsequenzen werden daraus kaum gezogen, auch wenn es einzelne Beispiele dafür gibt, dass sich die Geber gemäß der Paris-Erklärung für eine wirksamere Hilfe besser untereinander absprechen. Doch das strukturelle Problem des Nebeneinanders wird sich künftig eher verstärken als abschwächen. Das hat viel mit der neuen internationalen Klimafinanzierung zu tun. Wer befürwortet nicht, dass zur Vermeidung des Klimawandels und zur Anpassung an ihn mehr und mehr Geld in Schwellen- und Entwicklungsländer fließt? Aber wieso werden dafür ständig neue Fonds eingerichtet?
Alleine im Umweltsektor hat kaum noch jemand den Überblick. Kennen Sie CIF oder REDD, die FCPF, CTF oder den Adaption Fund der UNFCCC? In den vergangenen zwei Jahren wurden mindestens vierzehn neue bi- und multilaterale Mechanismen zur Umweltfinanzierung geschaffen. Jede Organisation, die etwas auf sich hält, schafft neue Instrumente, allen voran die Weltbank. Alle wollen etwas für den Transfer von Klimatechnologie, für den Waldschutz und für die vom Klimawandel betroffenen Armen tun. Aber bei aller Dringlichkeit der Probleme: Ohne kompetentes Personal und ohne aufnahme- und arbeitsfähige Institutionen in den Entwicklungsländern wird sich diese Eile rächen, die Mittel werden wirkungslos verpuffen und sich neuer Frust breit machen.
Und wer soll in dieser Flut noch den Überblick behalten und für Kohärenz und Komplementarität sorgen? Die Entwicklungszusammenarbeit hat schließlich schon unter mangelnder Abstimmung gelitten, als die Klimafinanzierung noch eine unbekannte Größe war. Das 2007 eingerichtete UN-Forum für Entwicklungszusammenarbeit soll die entwicklungspolitische Abstimmung auf „Weltebene“ und in demokratischer Absicht bei den Vereinten Nationen ansiedeln – und nicht mehr allein bei der OECD, dem Zusammenschluss der Industrieländer. Meine Prognose ist, dass dieses Forum wenig bewirken wird. Denn auf globaler Ebene akkumulieren sich in der Regel lediglich die Probleme der Nationalstaaten.
Auch in Deutschland klappt die Abstimmung über strategische Ziele der bilateralen Hilfe nur unzureichend. Mehr als 40 Prozent der deutschen Entwicklungshilfe werden nicht vom Entwicklungsministerium, sondern von anderen Ressorts wie dem Auswärtigen Amt und dem Umweltministerium sowie von den Bundesländern abgewickelt. Das entspricht zwar der alten Forderung nach Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe und ist den heutigen globalen Aufgaben auch angemessen. Ein einzelnes Ministerium wäre damit ohnehin überfordert.
Doch zugleich erfordert das die Verständigung auf gemeinsame strategische Ziele. Leider dominieren auf Bundesebene von jeher der klassische Ressortblick, die jeweiligen Eigeninteressen, Eifersüchteleien und teilweise auch eigene Verwaltungslogiken. Es mangelt an innovativen ressortübergreifenden Entscheidungen. So lassen sich kaum nutzbringende Synergieeffekte erzielen. Wo ist die gemeinsame Agenda, wo der strategische Rahmen? Wo gibt es institutionalisierte Abstimmungsverfahren, die den vielfältigen und interdependenten Problemen der Schwellen- und Entwicklungsländer gerecht würden?
Aber auch die Zivilgesellschaft hat bislang kaum darüber nachgedacht, welche institutionellen Arrangements ein strategischer und querschnittsorientierter Ansatz für Entwicklungs- und Klimapolitik braucht. Die Forderungen nach mehr Geld werden kaum von Antworten und politischen Initiativen begleitet, wie die zusätzlichen Mittel sinnvoll ausgegeben werden können. Die Debatte dazu muss endlich beginnen, damit Klimaschutz und Armutsbekämpfung Hand in Hand gehen.
Barbara Unmüßig ist Mitglied des Vorstands der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.