Zehntausende Kongolesen waren dem Aufruf der katholischen Laienbewegung zu einem friedlichen Protestmarsch am Silvesterabend gefolgt. Die Demonstranten forderten, Joseph Kabila solle endlich das Präsidentenamt aufgeben. Zwar war im Vorfeld mehrfach die Sorge geäußert worden, dass die Sicherheitskräfte einschreiten würden. Die Brutalität, mit der diese dann aber die Menge mit Tränengas und anderen Geschossen auseinandertrieben, überraschte doch viele. Traurige Bilanz an jenem Abend: mindestens acht Tote und zahlreiche Verletzte.
Der Erzbischof von Kinshasa, Kardinal Laurent Monsengwo Pasinya, nannte kurz darauf das Vorgehen der Sicherheitskräfte eine „Barbarei“. Es sei für jedermann offenkundig, dass im Land und besonders in der Hauptstadt Kinshasa ein Klima von „Angst und Verzweiflung“ herrsche, so Monsengwo in einer offiziellen Erklärung. In ungewöhnlich scharfen Worten verurteilte der Erzbischof den politischen Stillstand und die Gewalt im Land. Es sei an der Zeit, „dass die Mittelmäßigen verschwinden und dass wieder Frieden und Recht in der Demokratischen Republik Kongo regieren“. Prompt warf die Regierung dem Kardinal „staatsgefährdendes Verhalten“ vor. Unterdessen wurden bei einer weiteren Demonstration der katholischen Laienbewegung im Januar erneut sechs Menschen getötet.
Die Kirche gilt im Kongo als moralische Instanz
In den sozialen Medien setzten viele Kongolesen ihre Hoffnung auf den Papst in Rom, dass er das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte öffentlich verurteilen und sich hinter die katholische Laienbewegung stellen würde. Die Apostolische Nuntiatur in Kinshasa, gewissermaßen die vatikanische Botschaft im Land, stellte allerdings prompt klar, dass der Papst sich zu den Vorgängen nicht äußern werde und „man auch in Zukunft in keiner Weise darauf hoffen“ solle, heißt es in einem Kommuniqué. Die Nuntiatur berief sich dabei auf die allgemeine Regelung in der katholischen Kirche, dass über das Richtig und Falsch von Vorgängen vor Ort einzig die lokalen Bischöfe entschieden. Die katholische Kirche gilt im Kongo als moralische Instanz.
Etwa die Hälfte der rund 83 Millionen Kongolesen sind Katholiken. Über viele Jahre hinweg hatten die Bischöfe einen deutlichen Neutralitätskurs gegenüber der Politik gefahren. Weder der Regierung noch der Opposition wollten sie den Rücken stärken. Seitdem aber Joseph Kabila, dessen zweite und damit letzte Amtszeit Ende 2016 ausgelaufen war, mit allen Mitteln an der Macht zu bleiben versucht, ändert sich die Haltung der Bischöfe zunehmend. Vor einem Jahr noch hatten sie den sogenannten Silvesterkompromiss zwischen Regierung und Opposition ausgehandelt, demzufolge im Verlauf 2017 Neuwahlen hätten organisiert werden müssen. Offenbar reißt nun wie vielen Kongolesen auch den Bischöfen der Geduldsfaden und sie äußern immer deutlicher Kritik am Verbleib Kabilas an der Macht.
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