Sechs von zehn Deutschen glauben, dass Entwicklungshilfe nicht nur Menschen helfen, sondern zusätzlich Probleme lösen sollte, „die uns sonst früher oder später einholen“. Dieser Meinungsausschnitt ist Teil einer repräsentativen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD), die von der gemeinnützigen Organisation Global Perspectives Initiative in Auftrag gegeben wurde. Die Studie stützt sich auf 1400 Befragte, die Ergebnisse wurden kurz vor dem EU-Afrika-Gipfel Ende November in der Elfenbeinküste veröffentlicht. Während die Politik dort aber über Investitionen in eine globale nachhaltige Entwicklung diskutiert hat, verbindet der Bürger – das zeigt die Umfrage – mit Entwicklungszusammenarbeit weiter sehr stark das Bild von Almosen für die Armen. Zugleich herrscht die Erwartung vor, dass die Hilfe Probleme auch im Interesse der Geberländer löst.
Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher sagte, sie sehe in der Umfrage „eine neue Offenheit“ für Entwicklungspolitik. Köcher führt das unter anderem auf die seit 2015 gestiegene Zahl von Flüchtlingen, Migranten und Asylbewerbern zurück. „Ich glaube, dass dieser Neustart sehr wichtig ist und dass wir eine neue Gewichtung brauchen“, fügte sie hinzu. Denn entweder bekomme Europa die Probleme in den Griff, oder die Probleme bekämen Europa in den Griff.
Ob die Hilfe wirkt, wird skeptisch gesehen
Wie stark bei dem Thema die Sorge vor verstärkter Migration insbesondere aus Afrika mitschwingt, zeigen auch die Antworten auf die Frage, womit Entwicklungshilfe gemeinhin verbunden wird. Für 91 Prozent der Befragten ist das Hunger, für 75 Prozent Katastrophen, für 73 Prozent Hilfe zur Selbsthilfe und für 68 Prozent die Bekämpfung von Fluchtursachen – noch vor Wirtschaftsförderung mit 55 Prozent. Ein Fünftel der Befragten wäre dafür, die Hilfe zu erhöhen; die Zustimmung steigt auf ein Drittel, wenn damit eigenen Interessen gedient würde, etwa durch Bekämpfung von Fluchtursachen, vor allem in Afrika.
Unterm Strich hat die Entwicklungszusammenarbeit kein gutes Image. Die Hilfsbereitschaft der Deutschen mischt sich mit beachtlichen Zweifeln an ihrer Wirksamkeit. Fast drei Viertel der Befragten sind „sehr“ oder „eher dafür“, dass Deutschland Entwicklungshilfe leistet. Doch elf Prozent finden, es gelinge „gar nicht gut“, Probleme zu lösen; die Hälfte der Befragten sagt, das gelinge „weniger gut“. Fazit: Aus Sicht der Deutschen bleibt die Entwicklungszusammenarbeit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Hinzu kommt, dass die Befragten der deutschen Politik gerade dort den geringsten Einfluss zurechnen, wo sie die größten Hindernisse für erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit sehen: Für vier Fünftel und mehr sind dies Probleme wie Bürgerkriege, Korruption und schlechte politische Bedingungen.
Weit verbreitet ist zudem ein gewisses Misstrauen, ob die Hilfe auch ankommt, wo sie benötigt wird. Sicher sind sich da nur elf Prozent. 20 Prozent denken dagegen, dass „nur sehr wenig“ ankommt, 54 Prozent „ein gewisser Teil“. Viele Bürger und Bürgerinnen sind unsicher, sagt Köcher, ob Geld in Kanälen der Korruption verschwindet oder in der Verwaltung untergeht. Das größte Vertrauen, dass Mittel „zweckgerichtet verwendet“ werden, genießen die kirchlichen Hilfsorganisationen, gefolgt von den Vereinten Nationen, privaten Initiativen von Einzelpersonen sowie der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Andere Hilfsorganisationen genießen weniger Vertrauen.
Wo ist der Bedarf an Entwicklungshilfe besonders groß? Bei dieser Frage steht Afrika vor Südostasien eindeutig im Mittelpunkt. Die überwältigende Mehrheit der Befragten assoziiert den Kontinent weiterhin mit Problemen – zwischen 80 und 100 Prozent mit Hunger, Krankheiten, Flucht, Korruption und Überbevölkerung, weniger als 40 Prozent dagegen mit Chancen (39 Prozent) oder Wirtschaftswachstum (17 Prozent).
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