Aufklärung vor der Ehe

Frauenbeschneidung
Weibliche Genitalverstümmelung betrifft in Ägypten nicht nur Musliminnen. Auch drei von vier Koptinnen sind beschnitten. Die Koptisch-Orthodoxe Kirche startet nun eine Sensibilisierungskampagne.

Wenn koptische Eltern künftig die Taufe ihrer Kinder registrieren lassen, werden sie die Plakate nicht übersehen, auf denen die Kirche vor der weiblichen Genitalverstümmelung warnt. In ganz Ägypten soll in Gebäuden der Kirchenverwaltung großflächig über die Gefahren dieser Praxis aufgeklärt werden. Dass weibliche Genitalverstümmelung nichts mit dem christlichen Glauben zu tun hat und ein Verbrechen an Mädchen und Frauen darstellt, wird auch Thema in den Kursen sein, in denen junge Paare sich in der koptischen Kirche auf die Ehe vorbereiten, bevor sie den kirchlichen Segen bekommen.

Den meisten Frauen indes wird diese Information nicht mehr nützen: Nach einer UNICEF-Studie aus dem Jahr 2013 sind in Ägypten drei Viertel der christlichen Frauen zwischen 14 und 49 Jahren beschnitten. Damit ihren Töchtern nicht das gleiche Schicksal droht, will die Koptisch-Orthodoxe Kirche in einer groß angelegten Sensibilisierungskampagne die Menschen über die schwerwiegenden körperlichen und seelischen Folgen aufklären.

Mit der Kampagne bezieht die Koptische Kirche nicht zum ersten Mal Stellung zu dieser Praxis, die vermutlich aus antiken Zeiten stammt und in verschiedenen ostafrikanischen Ländern verbreitet ist. Bereits 2014 hatte sie dazu aufgerufen, mit dieser barbarischen Tradition zu brechen. Sie sei gegen den Willen Gottes und habe nichts mit dem christlichen Glauben zu tun. Dass trotzdem ein Großteil der christlichen Frauen beschnitten ist, führte die Kirche damals auf den Einfluss der muslimischen Mehrheitsgesellschaft zurück. Auch im Islam gibt es jedoch keine Begründung für weibliche Genitalverstümmelung. Darauf hat 2006 die Al-Azhar, die oberste sunnitische Lehrinstitution, offiziell hingewiesen. Doch der Anteil der beschnittenen Frauen muslimischen Glaubens in Ägypten ist noch höher als unter den Christinnen: Er liegt laut UNICEF bei 92 Prozent.

Auch die Regierung will die Beschneidung unterbinden

Mit ihrer Kampagne steht die koptische Kirche nicht allein da. Im Oktober 2016 hat die ägyptische Regierung ein Programm gegen die Genitalverstümmelung begonnen. Offiziell ist die Praxis in Ägypten seit 2008 verboten, das Gesetz hatte allerdings nicht die erhofften Auswirkungen auf die Gesellschaft. Auch hatten die Muslimbrüder während ihrer Regierungszeit von 2012 bis 2013 öffentlich darüber nachgedacht, die Beschneidung wieder zu legalisieren. Den Muslimbrüdern nahestehende Organisationen hatten Kampagnen für die Genitalverstümmlung durchgeführt, mit der Begründung, sie sei hygienisch und moralisch gut für die Frauen. Zwar wurde das Gesetz nicht geändert, doch waren in den letzten Jahren immer wieder Fälle bekannt geworden, bei denen Mädchen an den Folgen des Eingriffs starben.

Als im Sommer 2016 ein weiterer Todesfall bekannt wurde, verschärfte das Parlament das bestehende Gesetz. Seither muss in Ägypten mit 15 Jahren Gefängnis rechnen, wer ein Mädchen beschneidet, das in Folge des Eingriffs stirbt. Auch die Familienangehörigen, die die Verstümmelung ihrer Tochter in Auftrag gegeben haben, können vor Gericht kommen.

Um mit einer jahrtausendealten Tradition zu brechen, braucht es aber mehr als Plakate und Gesetze. Deswegen begrüßen nichtstaatliche Organisationen, die sich seit langem für ein Ende der Praxis  einsetzen, die Kampagne der Kirche. Denn das Wort eines Priesters, der einer Mutter deutlich macht, dass Genitalverstümmelung ein Verbrechen an ihrer Tochter und gegen Gottes Willen ist, dürfte nicht so leicht überhört werden.
Katja Dorothea Buck

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erschienen in Ausgabe 10 / 2017: Kongo: Das geschundene Herz Afrikas
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