Der Aktionsplan ist ein Auftrag der Vereinten Nationen und wurde 2013 in den Koalitionsvertrag zwischen der sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) aufgenommen. Ein Fahrplan nannte zeitliche Vorgaben: Die Bundesregierung sollte den Plan nach Beratungen mehrerer Ministerien mit den Organisationen der Zivilgesellschaft im Sommer 2015 verabschieden. Doch das ist nicht geschehen. Zwei Jahre nach diesem Termin liegt die Koalition in den letzten Zügen. Im Oktober finden vorgezogene Neuwahlen statt und es ist klar, dass der NAP unter dieser Regierung nicht mehr das Licht der Welt erblicken wird.
Die Volksanwaltschaft (VA), ein dem Parlament verantwortlicher kollektiver Ombudsmann, sah sich als treibende Kraft für den Plan, der für zahlreiche Gesetze Verbesserungen im Sinne der Menschenrechte vorsah. Das reichte vom Übereinkommen über Zwangsarbeit und das Hausangestelltengesetz bis zum Strafvollzug und Datenschutz. Der jüngste Entwurf vom September 2015 umfasste 54 Seiten. Die VA berief 2014 und 2015 zwei NGO-Foren ein, um Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft und die Behörden an einen Tisch zu bringen. Sie richtete eine Kommunikationsplattform ein, auf der sie alle verfügbaren Informationen veröffentlicht hat.
In den Treffen hatten die NGO-Leute den Eindruck, den meisten Vertretern der Behörden gehe es eher um Form als um Substanz. Eine Untersuchung von wiederholt angezeigten Fällen von Polizeigewalt, die die VA mehrmals angemahnt hatte, wollte man gar nicht anpacken. Einzelne Organisationen wie die Aktiven Arbeitslosen Österreichs sahen die NGOs von Beginn an zu Statisten degradiert und zogen sich schon 2015 zurück. Im Februar 2016 stiegen auch Amnesty International, Caritas, Diakonie und die Liga für Menschenrechte aus der Konsultationsgruppe aus. Der überwiegende Teil der Vorschläge und Empfehlungen der Zivilgesellschaft habe in den Entwürfen der Ministerien „kaum Niederschlag gefunden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Volksanwalt Günther Kräuter hat Verständnis für die Kritik: „Das war in der Substanz auch unsere Stellungnahme“.
Die NGOs stießen auf taube Ohren
Die NGOs waren aufgefordert worden, Vorschläge für eine Liste von Maßnahmen einzureichen. Für die Menschenrechtsorganisation FIAN war das etwa die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte, die dieses „weiche Völkerrecht“ verbindlich und damit einklagbar machen würde. Die Dreikönigsaktion forderte unter anderem die Umsetzung einer Empfehlung des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Auslandsaktivitäten österreichischer Unternehmen stärker zu regulieren und zu kontrollieren. Zudem müssten die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte endlich ambitioniert umgesetzt werden, betont Herbert Wasserbauer, der die Anwaltschaftsarbeit der Dreikönigsaktion koordiniert. „Hier ist Österreich säumig.“
Am 10. Dezember 2016, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, zog Volksanwalt Günther Kräuter, eine ernüchternde Zwischenbilanz. Die bisherigen Bemühungen seien „leider im Sande verlaufen“. Zentrale Forderungen der NGOs seien nicht in den Entwurf der Regierung eingeflossen. „Von der Stärkung von Minderheitenrechten über verbesserte Rahmenbedingungen für Menschen mit Beeinträchtigungen bis hin zum Schutz der Menschenrechte von Menschen auf der Flucht“ sei ein Aktionsplan von entscheidender Bedeutung, um Defizite aufzuzeigen und Maßnahmen einzuleiten. Er forderte die NGOs auf, die Regierung in die Pflicht zu nehmen.
Die Regierung redet den Prozess schön
Ein neuer Anlauf ist jedoch ausgeblieben – seit 2015 haben sich NGOs und Behörden nicht mehr getroffen. Umso mehr wunderte man sich bei den beteiligten NGOs, als vor kurzem eine Publikation mit dem Titel „Beiträge der Bundesministerien zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung durch Österreich – Darstellung 2016“ erschien, die den Prozess zur Erstellung des NAP Menschenrechte als Erfolg pries: Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft habe der österreichischen Menschenrechtspolitik „nachhaltige positive Impulse verliehen“. Keine Rede davon, dass der Plan weder beschlossen noch verwirklicht wurde.
FIAN, der NGO-Dachverband AG Globale Verantwortung und die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO) richteten daher Ende Juni einen offenen Brief an das Bundeskanzleramt und das Außenministerium. Darin verleihen sie ihrer Verwunderung Ausdruck und erinnern daran, dass sie noch immer auf eine Antwort auf ihr Schreiben vom Juni 2016 warten. Schon damals hatten sie beklagt, dass der Prozess ins Stocken geraten sei und Vorschläge für die nächsten Schritte gemacht. „Auf Rückfrage in den Ministerien und bei der Volksanwaltschaft waren keine neuen Informationen über die weitere Vorgehensweise zur Erstellung des NAP Menschenrechte zu erlangen – dies bestätigt unseren Eindruck, dass der Prozess stillsteht“.
Volksanwalt Kräuter will dennoch optimistisch bleiben. Er will sich nicht damit aufhalten, die Ursachen des Scheiterns zu erforschen, sondern den Blick nach vorne richten. „Es ist wichtig, dass man die vielen Beiträge der Zivilgesellschaft wieder auf den Tisch bekommt“, erklärt er. Ziel der Volksanwaltschaft könne nur ein neuer Anlauf unter der neuen Regierung sein.
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