Die Mörder kamen nachts, schossen um sich und drangen in die Hütten ein. Als sie wieder aus Taquaruçu do Norte verschwanden, waren neun Menschen tot, etliche Dorfbewohner verletzt und die Felder der Kleinbauern verwüstet. Wer die Killer beauftragt hat, ist in dem brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso ein offenes Geheimnis: Großgrundbesitzer, denen die Kleinbauern im Weg waren. In der abgelegenen Region im Landesinnern, in der Soja so gut wächst, kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen um Grund und Boden. Bei den steigenden Preisen auf dem Weltmarkt für die öl- und eiweißhaltige Hülsenfrucht lohnt sich der Anbau im großen Stil.
Die Großgrundbesitzer nutzen eine Rechtsunsicherheit aus, um ihre Anbauflächen auszuweiten. Keine Regierung hat es bisher geschafft, die 1988 in der Verfassung versprochene Agrarreform umzusetzen und damit die Besitzverhältnisse in weiten Landesteilen zu klären. Indigene, Landlose und Kleinbauern, deren Familien seit jeher ihren Lebensunterhalt auf den Feldern verdient haben, ziehen oft den Kürzeren gegenüber Großgrundbesitzern und internationalen Konzernen.
Auch die geographische Lage kommt dem Großkapital zugute. Die Infrastruktur ist in weiten Teilen nur rudimentär, bis zur nächsten größeren Stadt sind es oft hunderte Kilometer. Dass staatliche Ermittler schnell eintreffen, ist nicht zu erwarten; Zeit genug also, um Beweise zu vernichten oder Zeugen einzuschüchtern. Hinzukommt, dass viele Leute das Schicksal von irgendwelchen Bauern in ihren provisorischen Hütten nicht interessiert.
Nachricht in die Welt gestreut
In diesem einseitigen Kampf macht die katholische Kommission für Landpastoral den Sojabaronen immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Die 1975 von der katholischen Kirche in Brasilien eingerichtete Kommission engagiert sich auf politischer Ebene für die Rechte von Kleinbauern und Landlosen. Keine 24 Stunden nach der Ermordung der neun Kleinbauern in Taquaruçu do Norte hatte sie über ihr Verteilernetzwerk die Nachricht in alle Welt gestreut.
Internationale Medien berichteten darüber und zitierten aus dem Bericht, den die Kommission jährlich zum Thema Landrechtskonflikte und Gewalt an Kleinbauernfamilien herausgibt. Demzufolge starben im vergangenen Jahr 61 Menschen bei derartigen Konflikten, elf mehr als im Vorjahr. Und in den ersten Monaten dieses Jahres habe es zusätzlich zu den Morden in Taquaruçu do Norte bereits zehn weitere Tote gegeben. Polizeiliche Ermittlungen hätten ergeben, dass Großgrundbesitzer ein Netz von Auftragsmördern unterhalten, die die Aufgabe haben, die Kleinbauern vom Land zu vertreiben, heißt es in dem Bericht.
Auch Regina Reinart, die bei Misereor für Mato Grosso zuständig ist, hatte die Nachricht von den Morden am nächsten Tag auf ihrem Schreibtisch in Aachen. Das katholische Hilfswerk arbeitet eng mit der Landpastoral zusammen und unterstützt deren Arbeit seit den 1970er Jahren, im vergangenen Jahr mit einem Fördervolumen von über sieben Millionen Euro.
Dichtes Netz von Informanten
Die Kommission könne in allen Bundesstaaten auf ein dichtes Netzwerk an Informanten zurückgreifen, die direkten Kontakt zu Kleinbauern und Landlosen haben, sagt Reinart. „Das sind vor allem qualifizierte Laien, aber auch Priester, Ordensleute oder Missionare.“ Sie leben zum Teil ebenso gefährlich wie die Menschen, für deren Rechte sie sich einsetzen und deren Vertrauen sie haben. „Ohne sie würden viele Menschenrechtsverletzungen gar nicht bekannt werden. Der Staat selbst hat oft kein großes Interesse an einer Aufklärung.“
Reinart befürchtet allerdings, dass angesichts der allgemeinen Unruhe und Krisensituation in Brasilien das Thema Landrechtskonflikte aus dem Bewusstsein der internationalen Gemeinschaft verdrängt wird. Gemeinsam mit den brasilianischen Partnern wolle man deshalb über eine gemeinsame Strategie beraten, so dass die Menschenrechtsverletzungen an Landlosen, Indigenen und Kleinbauern nicht vergessen werden.
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