Die Afrikanische Initiative für Erneuerbare Energie (AREI) war auf dem Pariser Klima-Gipfel im Dezember 2015 angestoßen worden, als Beitrag Afrikas und der Afrikanischen Union (AU) zur Bewältigung des Klimawandels und zur Befriedigung des rasch wachsenden Energiebedarfs in Afrika. Etliche Industrieländer sowie die Europäische Union sagten dazu zehn Milliarden Euro für eine erste Phase bis zum Jahr 2020 und weitere Fördermittel bis 2030 zu.
Ziel der Initiative: 300 Gigawatt Stromerzeugung in Afrika aus erneuerbaren Quellen bis 2030. Derzeit verfügter der Kontinent über insgesamt gerade mal gut 160 Gigawatt installierter Leistung aus erneuerbaren und nicht erneuerbaren Quellen.
Im Juli 2016 beschlossen die 55 AU-Mitglieder die Strukturen der AREI, im vergangenen Januar nahm die Initiative ihre Arbeit auf. Zum Vorstand gehören Vertreter der fünf afrikanischen Regionen sowie der Afrikanischen Entwicklungsbank; zur konstituierenden Sitzung wurden außerdem Frankreich und die EU-Kommission eingeladen. Der Präsident von Guinea, Alpha Condé, wurde zum Vorstand bestimmt.
Die Projekte wurden nicht geprüft
Gleich zur ersten Arbeitssitzung des Vorstands Anfang März in Guineas Hauptstadt Conakry gab es dann Krach: Nach der Sitzung präsentierten Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal und EU-Entwicklungskommissar Neven Mimica – und nicht etwa der Vorsitzende Condé – namens der AREI eine Liste mit „19 neuen Projekten für erneuerbare Energien“, die der Vorstand für die erste Phase bis 2020 beschlossen habe.
Dieser Beschluss ist allerdings bis heute nicht zugänglich, und das hat wohl auch seinen Grund: Denn keines der 19 Projekte wurde gemäß den Kriterien der AREI von der eigens dafür eingerichteten unabhängigen Prüfstelle kontrolliert. Deren Leiter trat denn auch wenige Tage nach der Vorstandsitzung in Conakry zurück.
Offenbar hatten mindestens zwei der fünf afrikanischen Regionalvertretungen Bedenken gegen etliche der 19 Projekte geäußert. Zudem war keines der Länder, in denen die Projekte vorgesehen sind, an der Planung beteiligt worden. Anfang April machte eine Koalition von 200 zivilgesellschaftlichen Organisationen die Vorgänge öffentlich: Die afrikanische Initiative sei von den Europäern gekapert worden, die Europäer hätten ihre Projektliste im AREI-Vorstand durchgedrückt. Sie hätten außerdem ihre Fachleute in den Technischen Ausschuss der AREI platziert, um die Planung der Afrikaner zu steuern. Einige der Projekte auf der Liste seien keineswegs neu, sondern schon länger geplant und sogar schon im Bau, andere hätten nichts mit erneuerbarer Energie zu tun.
Interesseren europäischer Stromanlagen- und Staudammbauer
In der Tat bestehen fünf der 19 von Royal und Mimica präsentierten Vorhaben nur aus dem Ausbau von Stromnetzen, ohne dass eine Verbindung mit der Produktion von erneuerbarer Energie erkennbar wäre. Zwei weitere sind Projekte, die bereits vor geraumer Zeit mit EU-Förderung in Angriff genommen wurden; und drei sind schwammig als „finanzielle Förderung“ definiert, ohne dass deutlich wird, was sie mit erneuerbarer Energie zu tun haben. Die Liste entspricht zudem auffällig gut den Interessen von europäischen Stromanlagen- und Staudammbauern.
Dass die EU und Frankreich mit ihrem Vorpreschen eher eine eigene Agenda verfolgen, statt die im Aufbau befindliche „afrikanische“ Initiative zu unterstützen, wird auch aus anderen Anzeichen deutlich. Schon im September 2016 hatte Ségolène Royal in einem Bericht für das UN-Klimasekretariat 240 „mögliche Projekte“ für die AREI präsentiert. Ende Oktober nach einer Expertentagung der EU in Brüssel war die Zahl dann auf mehr als 440 gestiegen, wie Mimicas Dienst bekanntgab. Und siehe da: In der vom Technischen Ausschuss der AREI für die Gründungssitzung im Januar vorbereiteten Aufstellung fand sich dann die Zahl von genau 442 bisher gesammelten Projektvorschlägen.
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