Bilder von Landschaften schmücken die weißen Wände – Fotos von Hilfseinsätzen hängen nirgends. In der modernen Praxis in Reinbek bei Hamburg deutet nichts darauf hin, dass der Chirurg Felix Blake immer wieder im Ausland unterwegs ist, um arme Menschen zu operieren. Mit Absicht: „Ich mache das nicht wegen der Werbung. Ich tue das für mich.“
Vier Mal war der 48-jährige Mediziner, der auf Mund-, Kiefer- und Gesichtsoperationen spezialisiert ist, bereits bei humanitären Einsätzen dabei. 2004 hat ihn ein befreundeter Arzt nach Jordanien und Syrien mitgenommen. Der Kollege stammt aus Syrien und hat die Reise organisiert. In den beiden Ländern haben die Chirurgen in verschiedenen Krankenhäusern operiert und einheimische Ärzte geschult. Zwei Jahre später ist Blake erneut nach Syrien gereist. Es fällt ihm leicht, sich auf andere und ärmere Länder einzustellen. „Armut kann mich nicht bedrücken, ich bin damit groß geworden“, sagt er.
Der Welt etwas zurückgeben
Der Sohn eines Arztes aus Trinidad und einer Deutschen ist in Hamburg-Blankenese geboren. Als er sechs Jahre alt war, zog die Familie auf die karibische Insel. Dort ist er in der Hauptstadt Port of Spain zur Schule gegangen und hat sein Abitur gemacht. Danach hat er in Hamburg Zahnmedizin studiert, ein Medizinstudium angehängt und sich auf Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie spezialisiert. „Wenn man in der Karibik groß wird, lernt man viel über Rassismus“, erzählt er. Die Mehrheit der Wohlhabenden ist weiß und die arme Bevölkerung schwarz. Weiße haben bessere Chancen auf höhere Posten und Schwarze brechen häufiger die Schule ab, um Geld für ihre Familie zu verdienen. Die Erfahrung dieser Ungleichheit ist es, die Blake dazu bringt, für ein paar Wochen seine Praxen in Reinbek und Bad Oldesloe der Obhut seines Kollegen zu überlassen und sich ohne Gehalt in einer dürftig ausgestatteten Klinik an den OP-Tisch zu stellen. „Ich habe großes Glück im Leben gehabt. Mir ist es wichtig, der Welt etwas zurückzugeben.“
Seine jüngsten Einsätze hat er mit der britischen Organisation Interplast gemacht, die kostenlos plastische Operationen im globalen Süden anbietet. 2011 war er auf den Philippinen, 2014 in Pakistan. Operiert hat er dort vor allem Menschen mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Verbrennungsnarben und Verletzungen aus Unfällen. Die Patienten, die einen solchen Eingriff in einheimischen Kliniken nicht bezahlen können, hätten oft tagelange Fußmärsche hinter sich, um sich am Anreisetag der Ärzte im Krankenhaus einzufinden, sagt Blake.
Die Einsätze von Interplast dauern in der Regel zwei Wochen. Am ersten Tag sichten die Ärzte die Patienten und erstellen OP-Pläne. Dabei achten sie darauf, dass sich keine wohlhabenden Leute einschmuggeln. „Unsere Zeit ist begrenzt und wir wollen Menschen eine Operation ermöglichen, die es sich sonst niemals leisten könnten“, sagt Blake. Manchmal müssten Patienten weggeschickt werden, die unter den gegebenen Umständen nicht behandelt werden können. „Das ist schon traurig“, betont der Chirurg.
Pro Aufenthalt operiert das Team zwischen 100 und 150 Personen. In der ersten Woche werden die schwierigeren Fälle versorgt, um in der zweiten Woche Zeit für die Nachkontrolle zu haben. Mehr als die Hälfte der Patienten sind Kinder. In Pakistan hat sich Blake über die hohe Zahl an Verbrennungen gewundert – bis ihn ein einheimischer Arzt aufklärte: Der Wohnraum ist begrenzt, deshalb bauen die Menschen verbotenerweise ihre Häuser ab der ersten Etage in die Breite, bis sie an Stromleitungen stoßen. Diese biegen sie dann mit Holzlatten weg, um Platz zu schaffen. So kann es passieren, dass ein kleiner Junge, der bei Regen auf der Terrasse spielt und dabei das nasse Holzstück zwischen Stromleitung und Hauswand berührt, mit schweren Verbrennungen auf seinem OP-Tisch landet.
Gespräche mit Einheimischen sind Blake wichtig, ihre Geschichten und Lebensumstände interessieren ihn. Auch die von seinen Kollegen vor Ort. Er legt großen Wert darauf, auf Augenhöhe mit ihnen zusammen zu arbeiten. Sie sind bei den Operationen dabei und können von den internationalen Teams lernen. Doch Blake kennt auch ihre Vorbehalte. Den einheimischen Kollegen entgingen während der Interplast-Einsätze mögliche Einnahmen, sagt er. „Man muss verstehen, dass die nicht nur glücklich über unser Kommen sind.“
Was sein wird, wird sein
Die Interplast-Teams bestehen aus zehn bis 15 Ärzten und Krankenschwestern aus unterschiedlichen Ländern. Während der Einsätze lerne man sich im Team gut kennen und schmiede Pläne für die nächste gemeinsame Reise, erzählt Blake. Auch Interplast registriert, wenn ein Arzt unkompliziert ist und sich gut einfügt. Blake bekommt inzwischen regelmäßig Anfragen, wann er wieder an einer Mission teilnehmen will.
Dieses Jahr hat sich Blake entschieden, mit Interplast und einem befreundeten englischen Chirurgen in Sri Lanka zu arbeiten. Gegen diese Wahl hatte auch seine Familie keine Einwände – ganz im Gegensatz zu Pakistan. Sein Bruder habe damals gefragt, ob er denn schon ein Testament aufgesetzt habe. Er selbst macht sich kaum Gedanken um seine Sicherheit. „Ich glaube, was sein wird, wird sein“, das sei ein ganz wichtiger Satz für ihn. „Es funktioniert nicht, wenn man nur mit Ängsten durchs Leben geht.“ Noch hat er bei seinen Einsätzen keine bedrohliche Situation erlebt. Die Einheimischen nähmen die Ärzte freundlich auf: „Alle wollen, dass die Chirurgen wiederkommen.“
Autorin
Johanna Greuter
ist Volontärin bei "welt-sichten".Bei den Einsätzen überwiegen die schönen Momente. Die Freude der Kinder und die Dankbarkeit der Familien seien der höchste Lohn. „Nach einem solchen Arbeitstag denke ich mir immer, dass ich heute bestimmt 3000 Karma-Punkte gewonnen habe“, sagt Blake und lacht. „Bei den Einsätzen machen wir das, wofür wir eigentlich da sind: Wir operieren und helfen. Das ist großartig.“ Der schönste Teil seiner Arbeit ist das Operieren. Doch in Deutschland gehe ein Viertel der Arbeitszeit für Büroarbeiten drauf, bei den Einsätzen könne er sich dagegen zu 99 Prozent den Patienten widmen.
Blake wirkt gelassen und mit sich im Reinen. „Wenn man aus seiner gewohnten Umgebung gerissen wird, merkt man wieder, wie gut es einem eigentlich geht“, sagt er. Er versuche, diese Gelassenheit auch an seine Patienten in Deutschland weiterzugeben, und manchmal gelingt ihm das auch. „Dann ist es oft gar nicht mehr so tragisch, wenn ein Zahn gezogen werden muss.“
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