Mit der schwierigen Frage der Verantwortung eines einzelnen Unternehmens für den weltweiten Klimawandel befasst sich derzeit das Landgericht Essen. Grund ist die Klage eines Bergführers und Kleinbauern aus Peru, der den zweitgrößten deutschen Energiekonzern aufgrund des Betriebs von Kohlekraftwerken für die weltweite Klimaerwärmung verantwortlich macht. Saúl Luciano Lliuya fordert Geld für Schutzmaßnahmen von RWE, weil ein Bergsee wegen der Gletscherschmelze Teile seines Wohnortes zu überschwemmen droht.
Die 2. Zivilkammer des Landgerichts hielt sich am Donnerstag zum Auftakt des Prozesses mit einer rechtlichen Bewertung noch zurück. Es gehe in dem Prozess um die Kernfrage, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Kohlendioxidemissionen von RWE und den Veränderungen des Klimas nachgewiesen werden könne, erklärte der Vorsitzende Richter Klaus Werner Krüger. RWE habe die rechtliche Genehmigung zum Ausstoß der Kohlendioxidemissionen. Zu klären sei nun, ob in dem vorliegenden Fall durch das Verhalten des Unternehmens ein "rechtswidriges Ergebnis" zustande komme.
Die peruanische Andenstadt Huaraz liegt an einem Bergsee. Laut dem 36-jährigen Kläger ist der Pegel des Sees durch den von RWE mitverursachten Klimawandel und die Schmelze eines angrenzenden Gletschers so stark gestiegen, dass mehrere Häuser überflutet werden könnten. Der Energiekonzern soll die Kosten für Schutzmaßnahmen am See direkt übernehmen oder wahlweise mehr als 23.000 Euro für Sicherungsmaßnahmen an den peruanischen Gemeindezusammenschluss und den Kläger zahlen.
RWE warnt vor einer globalen Klagewelle
Die Rechtsanwältin des Klägers, Roda Verheyen, betonte, man könne mit der Klage "wissenschaftlich untermauern", dass eine bestimmte CO2-Emission zu einer nachweisbaren Temperaturerhöhung führe. Man könne dem Unternehmen RWE nachweisen, dass es einen "nicht unerheblichen Anteil" an dem Anstieg des Bergsees in Peru trage. Dazu seien auch die Einschätzungen bekannter Klimawissenschaftler eingeholt worden.
Der RWE-Anwalt Herbert Posser bestritt die Vorwürfe und erklärte, für die Klage gebe es keine Rechtsgrundlage. Eine zivilrechtliche Haftung für den Klimawandel könne nicht vor Gericht erstritten werden, sondern sei ein Thema, mit dem sich Staaten und die Gesetzgebung befassen müssten, sagte Posser. Eine "rechtssichere Zuordnung" zwischen dem Anstieg des Bergsees und dem CO2-Ausstoß durch RWE sei nicht möglich. Deswegen könne das individuelle Haftungsrecht in diesem Fall auch nicht greifen. Sollte das Landgericht der Klage stattgeben, drohe eine "globale Klagewelle aller gegen alle", weil jeder Mensch Emittent von Treibhausgasen sei und dafür dann rechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnte.
Um seine Forderung zu unterstützen, war Lliuya auch persönlich zum Verfahren erschienen. In dem Prozess äußerte er sich allerdings nicht. Am Rande des Verfahrens unterstrich er seine Hoffnung, dass mit dieser Klage ein erster Schritt getan sei, um eine Verbesserung seiner Lebensumstände zu erreichen. Finanziell unterstützt wird der Kläger durch die Stiftung Zukunftsfähigkeit, auch die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch begleitet das Verfahren.
Das Landgericht Essen will am 15. Dezember verkünden, ob der Fall in die Beweisaufnahme geht.
(EPD, sdr)
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