Einen Sieg erwartet niemand. Nicht einmal die Initiatoren der Volksabstimmung, mit der sich die Schweizerinnen und Schweizer Anfang Juni ein bedingungsloses Grundeinkommen bescheren könnten. Trotzdem hat Daniel Häni, der Kopf der Kampagne, ein Ziel bereits erreicht. Er wolle die Idee in die „politische Realität“ holen, sagt er, und das ist ihm gelungen – es wird allerorten darüber diskutiert. Schade, dass es mit der praktischen Realität wohl nicht klappt.
Seit Jahren wird über diese Form der Existenzsicherung gestritten, und in jüngster Zeit hat die Debatte Fahrt aufgenommen. Zwar sind noch immer die üblichen Ängste und Bedenken zu hören: Geld ohne Gegenleistung macht faul und träge. Wer wollte dann noch arbeiten? Und wer soll das alles bezahlen? Doch das Spektrum der Befürworter ist breiter geworden. Dazugekommen sind Wirtschaftswissenschaftler wie der Hamburger Ökonom Thomas Straubhaar, die ein einheitliches Grundeinkommen für effizienter halten als die bestehenden sozialen Sicherheitssysteme.
Immer lauter melden sich zudem die Internetmilliardäre aus dem Silicon Valley zu Wort. Sie befürchten soziale Konflikte, wenn Roboter künftig die Arbeit von Hunderttausenden Menschen übernehmen. Die könnten mit Hilfe eines bedingungslosen Grundeinkommens befriedet werden. Aber auch beim Umbau zu einem umweltfreundlichen und sozial gerechten Wirtschaftssystem wäre eine Grundsicherung ein wichtiger Baustein. Wenn weniger konsumiert und produziert wird, wird es auch weniger bezahlte Arbeit geben. Dann könnten sich mehr Menschen die unbezahlte Kindererziehung, Alten- und Krankenpflege teilen, weil ihr Lebensunterhalt anderweitig gesichert ist.
Mehr Bildung und weniger Arbeitslosigkeit
Das Grundeinkommen erscheint aus unterschiedlichen Beweggründen als gute Lösung für soziale und wirtschaftliche Probleme. Dabei ist völlig offen, wie Menschen wirklich reagieren, wenn sie ohne Bedingungen jeden Monat eine bestimmte Summe aufs Konto überwiesen bekommen. Legen sie sich in die viel beschworene Hängematte? Entdecken sie ihr kreatives Potenzial oder ihr Herz für den pflegebedürftigen Nächsten? Bisherige Versuche deuten an, dass sie vernünftig mit dem Geld umgehen und damit etwas aus ihrem Leben machen.
In Otjivero, einem Dorf in Namibia, dessen Einwohner mehrere Jahre lang ein Basic Income Grant (BIG) in Höhe von 100 namibischen Dollar erhielten, nahm die Wirtschaft einen bescheidenen Aufschwung, und es gingen mehr Kinder zur Schule. In der kanadischen Stadt Dauphin, die in den 1970er Jahren ein bedingungsloses Grundeinkommen testete, sank die Arbeitslosigkeit, viele Menschen gingen wieder zur Schule oder zur Uni, und sie wurden weniger krank. Projekte in Indien und den USA kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Autorin
Gesine Kauffmann
ist Redakteurin bei "welt-sichten".Wichtige Erkenntnisse könnte zudem ein geplantes Entwicklungsprojekt in Kenia bringen. Die nichtstaatliche Organisation „GiveDirectly“ will in dem ostafrikanischen Land 6000 Menschen mindestens zehn Jahre lang mit einem festen monatlichen Betrag unterstützen. Das soll „statistisch aussagekräftige Ergebnisse“ liefern, wie die Initiatoren Michael Faye und Paul Niehaus hoffen. Für die wissenschaftliche Begleitung haben sie den renommierten indischen Entwicklungsökonomen Abhijit Banerjee gewonnen – und seit diesem Frühjahr werben sie kräftig in den internationalen Medien und auf Konferenzen.
Knackpunkt ist allerdings – wie so oft – die Finanzierung des Ganzen. Bis Anfang Mai waren aus Spenden und Eigenmitteln von „GiveDirectly“ schon 6,9 Millionen US-Dollar zusammengekommen. Laut Faye und Niehaus ist allerdings mehr als das Vierfache dieser Summe nötig. Unterstützung aus dem Silicon Valley käme da gerade Recht.
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