Schlingerkurs beim Biosprit

EU-Gesetze zu erneuerbaren Kraftstoffen
Die EU-Staaten sind damit beschäftigt, zwei Richtlinien zu Bio-Kraftstoffen in nationale Gesetze zu gießen. Eine Studie hat die Kommission bisher zurückgehalten. Die Ergebnisse sind niederschmetternd.

Die erst im vorigen September beschlossenen Richtlinien zum Anteil von erneuerbaren Rohstoffen und zur Qualität der Kraftstoffe in Transport und Verkehr werden schon seit ihrer Vorbereitung vom EU-Parlament und von Umweltorganisationen kritisiert, nicht zuletzt deshalb, weil bei der Qualität von Diesel und Benzin kein Unterschied zwischen der Herkunft aus konventionellem Erdöl oder aus Teersand und Fracking gemacht wurde. Zudem ignorieren die Richtlinien, inwiefern die Verwendung von Diesel aus Ölpflanzen sowie von Ethanol aus Zucker- und Stärkepflanzen direkte und indirekte Folgen für das Klima hat, wenn dafür Wald gerodet oder der Anbau von Lebensmitteln verdrängt wird: die für die Klimapolitik bedeutsame indirekte und direkte Änderung der Landnutzung, „ILUC“ nach ihrer englischen Abkürzung „indirect land use change“.

Die EU-Kommission hatte in ihrer Vorlage ans Parlament zwar schon einen Rückzieher gemacht und die ursprüngliche Vorgabe von zehn Prozent Beimischung von „Biosprit“ halbiert. Die Kommission hatte zudem eingeräumt, sie habe zur Berechnung von ILUC noch zu wenig verlässliche Daten. Das EU-Parlament hatte die Richtlinien dennoch im Dezember 2014 abgelehnt, in der Folge wurden sie zwischen den EU-Instanzen weiter verhandelt und schließlich im September 2015 vom Ministerrat beschlossen; die EU-Staaten müssen sie nun bis Ende 2018 umsetzen. Auf Drängen besonders der britischen, spanischen und niederländischen Regierungen wurde die Beimischungsquote auf sieben Prozent angehoben.

Raps, Palmöl, Soja: Alles schädlicher als angenommen

Pikant ist, dass die EU-Kommission zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Monat eine Untersuchung von drei namhaften Instituten zu den ILUC-Folgen der verschiedenen Bio-Treibstoffe in der Hand hatte, die sie 2013 selbst in Auftrag gegeben hatte. Die Ergebnisse daraus sind niederschmetternd, insbesondere für Bio-Diesel: Die Verwendung von Palmöl ist demnach dreimal mehr klimaschädlich als von Diesel aus gewöhnlichem Erdöl, Sojaöl schädigt das Klima doppelt so stark, und bei Rapsöl beträgt der Faktor 1,2. „Die Kur mit Biotreibstoffen ist ärger als das Übel, das sie beheben sollen“, zitiert der Online-Dienst EurActiv den Sprecher der Initiative „Transport und Umwelt“, Jos Dings.

Die Kommission hat diese Studie bis Mitte März unter Verschluss gehalten, also auch während der öffentlichen Konsultation der Kommission zur „Dekarbonisierung des Transportsektors“ von November 2015 bis Februar 2016. Noch Anfang März hatte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete auf eine Frage aus dem Parlament abgestritten, dass es die Studie überhaupt gebe.

Nichtsdestotrotz hält die Kommission an ihrem Kurs fest: Noch dieses Jahr sollen die beiden Richtlinien wieder überarbeitet werden. Derweilen sucht der Ministerrat die Flucht nach vorn: Für eine informelle Ratstagung der Umweltminister Mitte April zu „grüner Mobilität“ schlug der derzeitige niederländische Vorsitz vor allem technologische Lösungen vor, wie der Übergang auf weniger klimaschädliche Treibstoffe und Fahrzeuge beschleunigt werden könne. Dabei geht es aber weniger um das Klima, als um sicherheitspolitische Erwägungen: Die Energieversorgung der EU sei zu 53 Prozent abhängig von Lieferungen aus politisch instabilen Regionen.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2016: Neue Chancen für die Kurden
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