Entwicklungshilfe wird zum Steinbruch

Schweiz
Die Debatte um die künftige Ausrichtung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit nimmt Fahrt auf. Im kommenden Jahr entscheidet das Parlament über den Rahmenkredit für die Jahre 2017 bis 2020. Die Hilfswerke starten ihre Lobbyarbeit gegen drohende Sparmaßnahmen.

Noch gehen die Hilfswerke nicht auf Konfrontationskurs, denn sie werden bei der Ausarbeitung der Vier-Jahres-Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit miteinbezogen. Nur Caritas Schweiz ist bereits vorgeprescht: Sie fordert die Verdoppelung der Entwicklungshilfe auf ein Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP). Alliance Sud, das Bündnis sechs großer Hilfswerke, hingegen will die Regierung zunächst auf das international vereinbarte 0,7-Prozent-Ziel verpflichten.

Zur Erinnerung: Nach jahrelangem Seilziehen und einer gut orchestrierten Kampagne für das 0,7-Prozent-Ziel wurde ein gutschweizerischer Kompromiss von 0,5 Prozent des BIP geschlossen. Dieses Ziel wird voraussichtlich dieses Jahr zum ersten Mal erreicht. Alliance Sud fordert von der Regierung, diesen Kompromiss gegen Kürzungsversuche zu verteidigen.

Die Caritas begründet die weitergehende Ein-Prozent-Forderung damit, dass die Entwicklungshilfe in den vergangenen Jahren immer mehr zum Selbstbedienungsladen geworden sei: 2014 seien 14 Prozent des jährlichen Budgets für Asylausgaben in der Schweiz verwendet worden. Auch die Kapitalbeteiligungen an regionalen Entwicklungsbanken werden dem Budget der Entwicklungshilfe belastet.

Klimafolgen und Asylkosten belasten das Hilfebudget

Beides ist zwar nach den Vorgaben der in der OECD versammelten Geberländer zulässig. Doch die Caritas moniert, dass in das entwicklungspolitische Kerngeschäft, die Armutsbekämpfung, im vergangenen Jahr lediglich 52 Prozent des Gesamtbudgets von rund 3,25 Milliarden Franken (2,96 Mrd. Euro) geflossen seien. Es ist absehbar, dass Hilfe für die Anpassung an den Klimawandel sowie Ausgaben für die Umsetzung der neuen UN-Nachhaltigkeitsziele und die weiter steigenden Asylkosten künftig ebenfalls dem Entwicklungshilfebudget belastet werden.

Die Regierung will die Hilfe kürzen

Geht es nach der Schweizer Regierung, werden im kommenden Jahr bei der Entwicklungshilfe für Süd- und Ostländer fast 130 Millionen Franken (119 Mio. Euro) eingespart. Davon muss die ...

Um ihre Position zu untermauern hat die Caritas ein Positionspapier mit „10 Punkten einer wirksamen Agenda der Entwicklungszusammenarbeit“ präsentiert. Darin fordert das Hilfswerk, der Bund müsse die Bevölkerung besser über die Ursachen von Armut, Not und Ungleichheit informieren. So sei die Vorstellung weit verbreitet, die Schweiz habe ihren Wohlstand weitgehend durch eigenen Fleiß und Willen erschaffen. Wenig gesprochen werde darüber, wie vielfältig die Schweizer Exportwirtschaft mit Schwellen- und Entwicklungsländern verflochten sei, welche Vorteile das für die Schweizer Volkswirtschaft habe und welche Kosten „die Entwicklungsländer dabei zu tragen haben“.

Caritas Schweiz fordert außerdem den Schutz von Arbeitsmigranten und Flüchtlingen, mehr Schweizer Engagement für die Verbesserung der staatlichen Rahmenbedingungen in Entwicklungsländern sowie für soziale Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung, Information, Energie, Land und Wohnraum.

Sogenannte Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft sollten nur mit solchen Unternehmen geschlossen werden, die in ihren Geschäften der Armutsreduktion einen wichtigen Platz einräumen und die Gewinne nicht außer Landes schaffen, sondern vor Ort investieren. Wichtig ist der Organisation auch eine entwicklungsfreundliche Gesamtpolitik: Dieses Kohärenz­gebot müsse auch dann gelten, wenn es den Interessen der Schweiz entgegenlaufe – insbesondere in der Außenwirtschaftspolitik.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2015: Gesundheit: Ohne Fachkräfte geht es nicht
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