Emmanuel Adebayor – ein Name wie Musik. Zumindest in den Ohren von Fußballfans, vor allem solchen aus Afrika. Mit 15 Jahren heuerte das Stürmertalent aus Togo beim französischen Club FC Metz an. Die Franzosen waren bei einem internationalen U-17-Turnier auf den Jungen aufmerksam geworden. Von Metz wechselt Adebayor zu Monaco, von dort zu Arsenal London, und seit vergangenem Jahr spielt der heute 26-Jährige bei Manchester United. Geschätzter Marktwert des Superstars: 23 Millionen Euro. Von einer solchen Karriere träumen viele junge Männer in Afrika. Hunderte machen sich jedes Jahr nach Europa auf, um Fußballprofi zu werden. Die meisten scheitern, etliche bleiben in unteren Amateurklassen hängen, in denen kein Geld zu verdienen ist. Dida aus Kamerun ist einer von ihnen.
Berlin-Kreuzberg, Sportplatz am Anhalter Bahnhof, an einem Sonntagvormittag im Mai. „Mauer! Mauer! Mauer!“, schreit Dida seine Vorderleute in der Abwehr an, die auf den Freistoß des Gegners warten. Der Ball liegt vier, fünf Meter außerhalb des 16-Meter-Raums. Der Stürmer des SC Charlottenburg läuft an – und schießt direkt. Das Leder zischt an der Abwehr vorbei, Dida setzt zum Sprung in die linke Torecke an – und fängt sich lässig wieder ab. Der Ball fliegt am Pfosten vorbei ins Aus.
Dida ist der geborene Torhüter: baumlang, athletisch gebaut, kein Gramm Fett auf dem Leib. Mit seiner Mannschaft ist er heute sichtlich unzufrieden. Mürrisch tigert er in seinem Tor auf und ab, schimpft und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn der Sturm wieder mal eine Tormöglichkeit vertändelt. Normalerweise spielt Dida zwei Klassen höher als heute, im Spitzenteam eines Kreuzberger Clubs in der Berliner Landesliga. Dass er heute als Ersatz im Tor der 2. Herrenmannschaft stehen muss, findet er gar nicht gut: „Kreisliga. Das sind doch alte Männer, die das nicht so ernst nehmen.“
Und Dida hat Fußball immer sehr ernst genommen. Mit gerade einmal 16 Jahren spielt er schon in der ersten Liga in Kamerun beim Hauptstadtverein TKC Yaoundé. Dort fällt er einem Spielervermittler aus dem Senegal auf, der ein Probetraining bei einem Club in der Nähe von Paris organisiert. Dida fliegt mit einem 4-Wochen-Visum nach Frankreich, aber dort „ist es nicht so gut gelaufen“, sagt er. Er hat ein Rückflugticket, beschließt aber in Europa zu bleiben – illegal. „Ein Bekannter in Deutschland hat mir gesagt, ich soll zu ihm kommen – aber erst Asyl beantragen.“
Preiswerter als die Lateinamerikaner
Das war vor vier Jahren. Seitdem schlägt Dida sich als geduldeter Ausländer durch und darf das Land Brandenburg, wo er gemeldet ist, eigentlich nicht verlassen. Deshalb will er auch seinen Namen nicht gedruckt sehen und nennt sich lieber nach dem früheren brasilianischen Nationaltorwart. Nach seiner Ankunft in Deutschland spielt Dida zunächst in Oranienburg, wird dann aber nach Berlin abgeworben. Er wechselt gern in die Hauptstadt, auch wenn er nun jederzeit damit rechnen muss, von der Polizei aufgegriffen zu werden. „Als Schwarzer in Brandenburg? Glaub mir, das ist unmöglich.“
Der Transfer von jungen afrikanischen Talenten in die Fußballligen Europas ist ein großes Geschäft. Vor allem seit den 1990er Jahren wächst die Zahl der Spieler, die in Frankreich, Belgien, Großbritannien, der Schweiz oder Deutschland ihr Glück versuchen. Die meisten kommen aus Nigeria, Kamerun, der Elfenbeinküste, Senegal und Ghana. Die deutsche Bundesliga, die britische Premier League oder die Ligue 1 in Frankreich stehen bei Fans in Afrika hoch im Kurs; Geschichten über Traumkarrieren sind dank Fernsehen und Internet allgegenwärtig. Das lockt. „Vor zwanzig Jahren, als ich ein Kind war, haben meine Eltern mich geschlagen, wenn ich kicken wollte“, erzählt Hervé Tcheumeleu aus Kamerun, der in Berlin eine Fußballzeitschrift für Afrikaner in Deutschland herausgibt. „Heute ermutigen die Eltern ihre Kinder, Fußball zu spielen.“
Zugleich ist die Aufmerksamkeit europäischer Clubs für Spieler aus Afrika gestiegen – zum Beispiel dank dem guten Abschneiden afrikanischer Mannschaften bei den Weltmeisterschaften für unter 17-Jährige. Weil das Niveau der nationalen Ligen in Afrika nicht so hoch ist wie das in Lateinamerika, sind afrikanische Spieler zudem billiger. Laut dem Schweizer Sportwissenschaftler Raffaele Poli dienen Talente aus Afrika vielen Clubs und Agenten in Europa und arabischen Ländern regelrecht als Spekulationsobjekte.
Vor zehn Jahren hatte der Handel mit minderjährigen Spielern derartige Ausmaße angenommen, dass sich sogar die UN-Menschenrechtskommission damit befasste. Kurz darauf verschärfte der Weltfußballverband FIFA die Transferregeln: Seit 2001 ist die Verpflichtung von minderjährigen Spielern über Ländergrenzen hinweg verboten. Doch professionelle Vermittler und Clubs finden immer wieder Schlupflöcher – sei es, dass sie die Spieler als Studenten getarnt ins Ausland schaffen, sei es, dass sie behaupten, sie seien schon im Land gewesen. Ein anderer Weg führt über die unzähligen Fußballakademien, die in Afrika in den vergangenen fünfzehn Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Dort trainieren europäische Vereine oder Agenturen den Fußballnachwuchs bis zum 18. Lebensjahr, um dann möglichst großen Gewinn aus ihm zu schlagen.
Gilles Ngasseu kennt das Geschäft. Seit drei Jahren versucht der frühere Maschinenbaustudent in Berlin als Vermittler Fuß zu fassen. Am schnellen Geld sei er aber nicht interessiert, sagt er. 14 Spieler in ganz Europa betreut Ngasseu nach eigenen Angaben derzeit, darunter auch Dida. Zweimal im Jahr sei er in Afrika und halte nach Talenten Ausschau, mache Videoaufnahmen von ihnen, kümmere sich um Visa und um Einladungen von Vereinen in Europa. In der Regel seien seine Schützlinge älter als 18. „Minderjährige zu holen, ist schwieriger geworden“, sagt Ngasseu. „Früher wollten die deutschen Botschaften für ein Probetraining nur eine Einladung von einem deutschen Club sehen. Seit einiger Zeit verlangen sie eine Genehmigung vom nationalen Fußballverband.“
In Afrika hat man nur mit Beziehungen eine Chance
Mit der richtigen Betreuung könnte Dida als Profi drei oder vier Klassen höher spielen, meint Ngasseu. Die Bedingungen dafür haben sich etwas verbessert: Anfang des Jahres ist Dida Vater einer Tochter geworden, im Mai hat er daraufhin eine einjährige Aufenthaltserlaubnis bekommen. Eine Verlängerung sei wahrscheinlich, sagt Ngasseu, wenn er sich um das Kind kümmert.
Dida will nicht zurück nach Kamerun. „In Afrika sind Fußball und Politik miteinander vermischt. Du hast nur eine Chance, wenn du gute Beziehungen hast.“ Aber nur auf den Sport zu setzen, sei ein Fehler gewesen, sagt Dida. Vielleicht mache er irgendwann eine Ausbildung, zum Beispiel als Elektriker. Sein 11-jähriger Bruder träume ebenfalls von einer Fußballerkarriere. „Ich sage ihm, er soll erst einmal die Schule machen.“
Die Partie gegen Charlottenburg endet 1:1 unentschieden. Beim Gegentor war Dida chancenlos. Nach dem Spiel redet er kurz mit dem Präsidenten seines Vereins, der ihm eine Nummer in sein Handy diktiert. „Ruf da mal an. Die haben vielleicht einen Job auf dem Bau für dich.“