Fixiert auf das Geld der Minen

Sambia will mehr Steuern von der Kupferindustrie, die Konzerne drohen mit Produktionsstopp. Wer sitzt am längeren Hebel?

Die Nachricht kam wie ein Schock: Um satte 14 Prozentpunkte erhöhte die sambische Regierung zum Jahreswechsel die sogenannten Royalties für Kupfer, von sechs auf 20 Prozent. Sambia ist der zweitgrößte Kupferproduzent Afrikas, 70 Prozent seiner Deviseneinnahmen stammen aus dem Verkauf des roten Metalls. Die Kupferindustrie erwirtschaftet zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass Sambia am Tropf der Kupferproduktion hängt. Entsprechend fiel die Reaktion der Bergbaukonzerne auf die saftige Steuererhöhung aus: Der kanadische Konzern Barrick Gold, einer der Großen im Land, kündigte an, einer seiner Minen zu schließen. 4000 Arbeitsplätze sind bedroht.

Wo in Afrika Rohstoffe gefördert werden, sind die Royalties, also die Tantiemen des Staates auf den Verkaufspreis, ein Dauerthema. Das ist in Kongo-Kinshasa so, in Guinea und in Mali. Es geht den Regierungen immer darum, mehr vom Verkaufspreis zu erhalten, was die Industrie regelmäßig mit dem Hinweis auf stark schwankende Preise abzulehnen versucht. In Südafrika fordern Linkspolitiker sogar eine Verstaatlichung der Bergbauindustrie, die das Rückgrat der nationalen Wirtschaft darstellt.

Sambia ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Dort war die Kupferproduktion einst staatlich gelenkt, bis ein Preisverfall das Land in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts an den Rand des Staatsbankrotts brachte. Anschließend wurden die Bergwerke privatisiert, und das Land fuhr gut mit dieser Politik. Das Wirtschaftswachstum seit 2004 betrug beständig über fünf Prozent.

Allerdings erhob die Opposition in Sambia ständig den Vorwurf, die Regierung lasse sich bei den Royalties von den Konzernen über den Tisch ziehen und forderte eine drastische Erhöhung der Steuer. Diese Forderungen wurden indes von dem bis 2011 regierenden Präsidenten Rupiah Banda und seiner Partei „„Movement for Multiparty Democracy“ mit dem Hinweis auf das robuste Wachstum als „Blödsinn“ abgetan. Als der ewige Oppositionelle Michael Sata von der „Patriotic Front“ 2011 zum sambischen Präsidenten gewählt wurde, hielt die Industrie folglich die Luft an.

Sata hatte im Wahlkampf angekündigt, den starken chinesischen Einfluss auf die sambische Wirtschaft zurückzudrängen und die Kupferproduzenten, darunter vor allem kanadische und australische Konzerne, verstärkt zur Kasse zu bitten. Sata hatte allerdings auch angekündigt, alle Arbeitslose innerhalb von 70 Tagen in Lohn und Brot zu bringen, womit er jeden Verdacht, er verfüge über wirtschaftspolitische Kompetenz, umgehend widerlegte. Gleichwohl kam es nicht zu der befürchteten Auseinandersetzung zwischen Sata und den Bergbaukonzernen. Die Regierung erhöhte die Royalties lediglich von drei auf sechs Prozent, was angesichts des damaligen Rekordpreises für Kupfer von rund 10.000 Dollar pro Tonne nicht nur zumutbar war, sondern geradezu günstig erschien. In Chile beispielsweise, dem größten Kupferförderer der Welt, waren die Royalties im Boom-Jahr 2010 auf mindestens fünf bis höchstens neun Prozent angehoben worden, je nach Ausstoß der Mine, bevor sie 2013 angesichts des Preisverfalls wieder auf vier bis Prozent gesenkt wurden. Die sambischen Förderer jedenfalls konnten gut mit den sechs Prozent leben, investierten im Gegenzug Milliardensummen und schufen Arbeitsplätze. Die Kupferproduktion stieg auf beinahe 800.000 Tonnen im Jahr und die sambische Wirtschaft verzeichnete Wachstumsraten von teilweise sieben Prozent jährlich.

Doch die Kupfer-Bonanza ist längst vorbei. Vor zwei Jahren begannen die Preise drastisch zu fallen. Das Wachstum in China, dem größten Abnehmer für sambisches Kupfer, hatte sich verlangsamt. Trotzdem legte die sambische Regierungspartei „Patriotic Front“ einen Gesetzesentwurf vor, der eine Erhöhung der Royalties von sechs auf 20 Prozent für Kupfer vorsah, das im Tagebau gefördert wird, und eine Erhöhung von sechs auf acht Prozent für das rote Metall, das unter Tage abgebaut wird. Dass dieses Gesetzesvorhaben tatsächlich umgesetzt würde, damit rechnete indes kaum einer. Schließlich standen die Bergwerke angesichts des Preisverfalls von nahezu 40 Prozent mit dem Rücken an der Wand. Sata starb im Oktober vergangenen Jahres im Amt. Sein kommissarischer Nachfolger Guy Scott ließ das Gesetzesvorhaben trotz vieler Warnungen vom Parlament bestätigen. Seither herrscht zumindest verbal Krieg zwischen der Regierung und den Konzernen.###Seite2###

Den Anfang machten die Kanadier von Barrick Gold, die im Copperbelt genannten Kupfergürtel im Norden des Landes die Lumwana-Mine betreiben. Sollte die neue Besteuerung bestehen bleiben, werde Lumwana bis Ende März dieses Jahres stillgelegt, ließ der an der Börse von Toronto gelistete Konzern mitteilen. In der Lumwana-Mine arbeiten 4000 Mitarbeiter. Der ebenfalls in Toronto gelistete Bergbaukonzern First Quantum schob eine Investition über 800 Millionen Dollar für eine Nickel-Fabrik auf die lange Bank und ließ mitteilen, die neuen Regelungen seien „nicht gerade eine Stimulanz für Investitionen“.

Der sambische Bergbauverband, eine Lobbygruppe der Konzerne, warnte vor einem Verlust für die sambische Volkswirtschaft von bis zu sieben Milliarden Dollar beziehungsweise 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes innerhalb der nächsten fünf Jahre, sollte die Regierung die neue Besteuerung nicht rückgängig machen. Alleine in diesem Jahr könnten bis zu 12.000 Arbeitsplätze vernichtet werden, so der Verband. Angeblich machen neun der elf größten Minen im Land jetzt schon Verluste aufgrund des niedrigen Kupferpreises.

Als der ehemalige Justiz- und Verteidigungsminister Edgar Lungu nach einer parteiinternen Schmutzkampagne im Januar dieses Jahres zu Satas Nachfolger gewählt wurde und damit klar war, dass die „Patriotic Front“ weiter die Regierung stellen wird, sackte die Nationalwährung Kwacha auf ein Rekordtief. Namhafte Investoren sprachen plötzlich von Sambia als einem „Verlustgeschäft“. In diesem konfrontativen Klima drohte Lungu zudem mit einer Zwangsverwaltung der Lumwana-Mine, sollte Barrick die Förderung tatsächlich einstellen.

Womit Lungu aber offensichtlich nicht gerechnet hatte, war die Unterstützung der Gewerkschaften für die Haltung der Konzerne. Dabei sieht sich die „Patriotic Front“ – ähnlich wie die SPD in Deutschland – als Partei der Arbeiter. „Ich frage mich, wie die Regierung Steuern bei stillgelegten Bergwerken eintreiben will“, ätzte beispielsweise der Präsident des sambischen Gewerkschaftsverbandes, Chishimba Nkole. Die Arbeitsnehmervertretungen fürchten, dass aufgrund der neuen Steuer drastisch Stellen abgebaut werden.

Die Botschaft kam offensichtlich an. Kurz danach verkündete Lungu, das neue Gesetz sei „nicht in Stein gemeißelt“. Am 3. Februar hieß es dann aus dem Präsidialbüro, „das ultimative Ziel ist es, Arbeitsplätze zu schützen und gleichzeitig die Minen profitabel zu halten. Aber wir müssen auch das Recht des Staates wahren, Steuern einzutreiben“. Zeichnete sich da Verhandlungsbereitschaft ab? Der zeitliche Rahmen passte jedenfalls. Nur drei Tage später öffnete in Kapstadt die Mining Indaba ihre Pforten, einer der weltweit wichtigsten Kongresse der Bergbauindustrie. Der sambische Finanzminister Alexander Chikwanda war ausdrücklich mit dem Auftrag nach Südafrika geschickt worden, mit den Bergbaubossen „über alles, auch die Royalties“ zu reden, wie ihm Lungu mit auf den Weg gegeben hatte.

Offenbar als Zeichen des guten Willens stellte der Finanzminister in Kapstadt die Rückerstattung einbehaltener Mehrwertsteuer in Aussicht. Dabei geht es in erster Linie um einen Streit über 600 Millionen Dollar zwischen dem sambischen Fiskus und dem in der Schweiz ansässigen Konzern Glencore, der in Sambia eine Zinkfabrik betreibt, für deren Auslastung Rohmaterial importiert wird. Dafür musste Mehrwertsteuer entrichtet werden, die bei Ausfuhr des Zinks zurückerstattet wurde. Die sambische Regierung stellt sich hingegen neuerdings auf den Standpunkt, dieses Geld einbehalten zu können. Glencore hatte die Kabwe Zinc Mine seither stillgelegt, weil sie nach Angaben des Konzerns unter diesen Umständen nicht wirtschaftlich zu betreiben sei.

In Lusaka scheint sich jedenfalls inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass Steuererhöhungen nicht gegen wirtschaftliche Realität durchzusetzen sind, ohne dabei Schiffbruch zu erleiden. Der Kupferpreis ist im Sinkflug, und eine Erholung ist vorerst nicht in Sicht. Das Branchenblatt Business Monitor International rechnet für den Zeitraum von 2015 bis 2019 mit einem durchschnittlichen Kupferpreis von 6785 Dollar pro Tonne. Das sind nahezu 40 Prozent weniger als noch 2011. Dementsprechend sehen die Prognosen für die Fördermengen in Sambia aus: Um bestenfalls 1,6 Prozent werde die Fördermenge ebenfalls zwischen 2015 und 2019 steigen. Zwischen 2005 und 2014 waren es noch 7,7 Prozent gewesen.

Genau diese Steigerungsraten hatten aus Sambia eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften des Kontinents gemacht. Leider hat es weder die Regierung von Präsident Banda noch die seines Nachfolgers Sata je vermocht, ein auf breiten Füßen stehendes Steueraufkommen zu generieren, um die für dieses Wachstum notwendige Infrastruktur zu finanzieren. Stattdessen war sie für die eigenen Einnahmen stets auf die Kupferproduzenten fixiert, was umso leichter war, als diese milliardenteure Anlagen betreiben, die man nicht einfach abmontieren und außer Landes schaffen kann.

Autor

Thomas Scheen

ist Afrika-Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und lebt in Johannesburg.
Das Unvermögen, ein funktionierendes Steuersystem zu schaffen, wird durch das kreditfinanzierte Wachstum noch verschärft. Im vergangenen Jahr etwa standen staatlichen Einnahmen in Höhe von knapp fünf Milliarden Dollar Ausgaben in Höhe von fast sieben Milliarden Dollar gegenüber. Die kumulierten Auslands- und Binnenschulden Sambias belaufen sich auf rund 7,7 Milliarden Dollar. Das entspricht etwa 35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und ist im internationalen Vergleich ein durchaus moderater Wert. Die niedrigen Zinsen in den vergangenen Jahren boten einen zusätzlichen  Anreiz, bei Neuverschuldungen nicht allzu zögerlich zu sein. Die Zeit der Niedrigzinsen aber scheint vorbei zu sein, was für Sambia bedeutet, künftig mehr Geld für den Schuldendienst ausgeben zu müssen. In Ermangelung einer breiten Steuerbasis hält man sich an die Konzerne. Selbst die Weltbank und der Internationale Währungsfonds warnen inzwischen davor, die Kuh zu schlachten, die täglich Milch gibt. Stattdessen empfehlen sie, die indirekten Steuern zu erhöhen, also die Mehrwertsteuer. Das aber würde die Lebenshaltungskosten weiter verteuern.

Insofern sitzt die sambische Regierung gerade zwischen Hammer und Amboss: Mehr Bergbausteuern bedrohen Arbeitsplätze, eine höhere Mehrwertsteuer sorgt für weiteren Unmut unter den Wählern. Das nämlich ist die Krux bei der ganzen Geschichte: Edgar Lungu ist nach dem Tod Satas nur für dessen verbliebene Amtszeit gewählt worden, die im September 2016 endet. Bis dahin muss die „Patriotic Front“ einige ihre vollmundigen Wahlversprechen einlösen, will sie nicht wieder die harte Bank der Opposition drücken. Wie eng es für die Partei politisch inzwischen geworden ist, zeigt das Resultat der Präsidentschaftswahl vom Januar. Der Vorsprung Lungus auf seinen Herausforderer Hakainde Hichilema, einen ausgewiesenen Wirtschaftsliberalen, betrug genau 27.000 Stimmen.

 

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erschienen in Ausgabe 4 / 2015: Unternehmen: Fair bringt mehr
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