Auch Transparenz kann man missbrauchen

Hilfswerke und Regierungen müssen offenlegen, wie sie ihr Geld verwenden. Nur so können Bürger informiert entscheiden und verhindern, dass sich Einzelinteressen hinter den Kulissen durchsetzen. Doch nicht jede Transparenzinitiative fördert die demokratische Beteiligung – im Gegenteil.

Ich bin Mitglied im Beirat von Transparency International Deutschland – aus Überzeugung. Denn ich glaube, dass die Pflicht, Verantwortung, Interessen, Geldquellen und Ausgaben offenzulegen, systemische Korruption erschwert. Eine solche Pflicht ist zudem die Grundlage, auf der Rechenschaft eingefordert und Versprechen überprüft werden können. Ohne Überblick über das Volumen öffentlicher Haushalte keine Überprüfung, ob sie angemessen verwendet werden. Ohne Offenlegung der Pläne für Großprojekte keine öffentliche Beteiligungsmöglichkeit. Transparenz ist damit auch die Basis demokratischer Beteiligung. Wenn Hilfswerke ihre Trägerschaft, Ziele und Zielgruppen sowie Werte, Arbeitsweisen und Mittelverwendung nicht offenlegen, können Spender und Spenderinnen keine informierte Entscheidung treffen. 

Transparenz ist Voraussetzung für das alles, aber keine Garantie dafür. Und schon gar nicht ist Transparenz gleichbedeutend mit der Qualität von Regierungsführung, von politischer Beteiligung oder von Entwicklungsarbeit. Sie verhindert an manchen Stellen das Schlechte, schafft oder sichert aber nicht zwingend das Gute. Darum darf der Wettlauf um größtmögliche Transparenz nicht zur symbolischen Ersatzhandlung werden für die Bewertung echter Qualität. Transparenzprüfungen sowie Ranglisten und Siegel dürfen zudem nicht darüber hinwegtäuschen, wo echte Intransparenz herrscht, die die Demokratie bedroht.

Transparenz kann und muss die Chancen auf informierte Entscheidungen von Bürgerinnen und Bürgern erhöhen – bei uns und weltweit. Darum muss sie genau da eingefordert werden, wo die Gefahr besteht, dass wirtschaftliche oder partikulare Machtinteressen auf Kosten des Gemeinwohls durchgesetzt und Parlamente und Zivilgesellschaft ausgebremst werden. Der Verlauf der Verhandlungen über das transatlantische Handelsabkommen TTIP ist ein Beispiel.

Im Namen der Terrorbekämpfung werden Kritiker mundtot gemacht

Brot für die Welt hat sich an verschiedenen Transparenzpreisen beteiligt. Der öffentlich-moralische Druck, sich für Transparenz zu engagieren, ist groß. Allerdings sorgt Transparenz nicht automatisch dafür, dass die Spendenden die Orientierung  auf dem Spendenmarkt bekommen, die sie brauchen. Eine Organisation kann eine wunderbar strukturierte Webseite mit Hunderten Detailinfos haben. Doch das sagt nichts darüber, ob sie in der richtigen Weise die Ursachen von Armut bekämpft oder ob sie die Menschen nach Katastrophen mit guten Voraussetzungen hinterlässt, ihre Zukunft zu gestalten. Stattdessen erhalten die Spender und Spenderinnen oft Informationen in verwirrender Fülle, die sie nicht erbeten haben.

Das wirft die Frage auf, wer an welcher Art von Transparenz interessiert ist – und warum  spezielle Transparenzinitiativen eigentlich nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 aus den USA nach Europa und in die Welt gedrängt sind. Die Antiterrorgesetzgebung der USA fordert, dass zivilgesellschaftliche Organisationen im globalen Norden und im globalen Süden ihre Verbindungen zueinander und die Finanzflüsse zwischen ihnen offenlegen. Wer treibt diese Initiativen voran? Mit welchen Motiven? Ob es wirklich die Liebe zur Transparenz ist, wäre an der Offenheit der „Transparenzhüter“ selbst zu überprüfen.

Autorin

Cornelia Füllkrug-Weitzel

ist Präsidentin von „Brot für die Welt“ in Berlin.
Der erklärte Zweck der Gesetze ist, dass Finanzflüsse an Terrorgruppen erkannt und gestoppt werden. Aber diese Gesetzgebung hat Nachahmer und unvorhergesehene Trittbrettfahrer gefunden: Regime jeder Couleur, die daran interessiert sind, die Zivilgesellschaft in ihrem Land mundtot zu machen, haben von den bereits offengelegten Daten aktiv Gebrauch gemacht. So können sie ihren intransparenten Geschäften weiter nachgehen und ihren Machterhalt sichern. Oder sie haben selbst „Transparenzgesetze“ erlassen, mit deren Hilfe sie die internationalen Unterstützer von Menschenrechts- oder Demokratieorganisationen ausfindig machen und die entsprechenden Finanzflüsse unterbinden können.

Aus diesen Gründen erscheint mir eine differenzierte Debatte über den entwicklungspolitischen Sinn von Transparenz, über den Nutzen von Transparenz für Spendende und über das jeweils richtige Maß an Transparenz sinnvoll. Eine Debatte, die nicht einfach dem Fetisch Transparenz huldigt, sondern die  Stärkung von Individuen und Zivilgesellschaft zum Ziel hat.

 

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erschienen in Ausgabe 4 / 2015: Unternehmen: Fair bringt mehr
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