Das Steuerwesen hat in Afrika südlich der Sahara keinen guten Ruf. Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Afrobarometer erleben es die Bürger vieler Länder als einen der korruptesten Bereiche der staatlichen Verwaltung. Dabei reichen Versuche, ein funktionierendes Steuersystem aufzubauen, zurück bis in die 1960er Jahre, kurz nach der Unabhängigkeit.
Damals bemühten sich die Regierungen in erster Linie darum, eine Einkommenssteuer einzuführen. In den 1980er und 1990er Jahren war dann die Reform der Steuern auf den Außenhandel ein Hauptbestandteil der Strukturreform-Programme, die ausländische Geldgeber wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds finanzierten. Sie empfahlen den Afrikanern in der Regel, Steuern auf Exporte abzuschaffen, Importsteuern zu senken und eine Mehrwertsteuer einzuführen.
Seit den späten 1990er Jahren sind die Reformvorhaben breiter angelegt: Die Steuerbehörden sollen besser organisiert werden und effizienter arbeiten. Die Zusammenhänge zwischen Steuern, Rechenschaftspflicht des Staates und Staatsaufbau sind in den Blick gerückt.
Das Ziel von Steuerreformen ist in erster Linie, die Staatskassen zu füllen. Bislang mit eher mäßigem Erfolg: Noch 2012 erhoben die ärmeren Staaten Afrikas nur rund 17 Prozent des Bruttoninlandsprodukts in Form von Steuern. In den Industrieländern liegt der Anteil bei rund einem Drittel. Die Vereinten Nationen (UN) schätzen, dass eine Steuerquote von 20 Prozent das Minimum ist, um die UN-Entwicklungsziele zur Bekämpfung von Hunger und Armut zu erreichen.
Mehrwertsteuer hat sich auch in armen Ländern durchgesetzt
Progressive Steuern auf Einkommen von Personen, die anfangs im Mittelpunkt standen, haben sich entgegen den Erwartungen nicht zu einer wichtigen Steuerquelle entwickelt. Die Industrieländer erheben damit im Durchschnitt ein Viertel ihres gesamten Steueraufkommens, denn die zahlt fast jeder zweite Bürger. In den meisten Ländern mit niedrigem Einkommen beträgt der Beitrag der Einkommenssteuer zu den Steuereinnahmen hingegen weniger als zehn Prozent, und nur fünf Prozent der Bürger in Afrika bezahlen sie. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Verwaltung ist ineffizient, die Selbstständigen sind nicht steuerlich erfasst, Eliten und Wohlhabende weigern sich, Steuern zu zahlen.
Dagegen hat sich die Mehrwertsteuer zu einer der wichtigsten staatlichen Einnahmequellen entwickelt. Mehr als 130 Länder weltweit haben sie eingeführt und auch rund vier Fünftel aller Länder in Subsahara-Afrika; sie erzielen damit typischerweise ein Viertel der Steuereinnahmen. In Ländern, in denen Geschäftsvorgänge gut schriftlich oder elektronisch erfasst werden, ersetzt die Mehrwertsteuer häufig die Ein- und Ausfuhrsteuern, so dass diese Handelsbarriere abgebaut wird. In den ärmsten Ländern funktioniert das aber nicht so einfach und die Mehrwertsteuer bringt nicht so viel ein. Denn es ist nicht leicht, dafür zu sorgen, dass sie auf jedes Geschäft gezahlt wird – außer eben an der Grenze, also wie eine Steuer auf den Handel.
Wie ergiebig die Mehrwertsteuer ist, hängt davon ab, wie gründlich ein Unternehmer seine Bücher führt und wie verlässlich er sich selbst veranlagt. Das ist in Entwicklungsländern oft schwierig. Zudem verringern Ausnahmeregelungen für viele Waren und Dienstleistungen – zum Beispiel für landwirtschaftliche Produkte und für Käufe im Rahmen von Entwicklungshilfe-Projekten – die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer.
Steuervergünstigungen für Investoren kosten viel, bewirken aber wenig
Gegen die Mehrwertsteuer ist eingewandt worden, dass sie stärker die ärmeren Schichten belastet. Doch laut Studien beeinflusst sie in Afrika die Verteilung des Wohlstands kaum und trägt jedenfalls deutlich weniger zu mehr Ungleichheit bei als die Handelssteuern, an deren Stelle sie getreten ist. Das liegt auch daran, dass die meisten Länder, die eine Mehrwertsteuer erheben, Güter des täglichen Bedarfs – vor allem Grundnahrungsmittel – davon ausnehmen oder sie mit einem ermäßigten Satz belegen. Arme Länder sollten die Mehrwertsteuer angesichts dieser Probleme nicht abschaffen, sondern sie besser an ihre spezifische Situation anpassen.
Viele afrikanische Länder bringen sich um Steuern, indem sie großzügige Investitionsanreize gewähren. Von Steuervergünstigungen profitieren besonders Unternehmen und Investoren in Branchen, die als strategisch wichtig gelten wie Tourismus, Bergbau und Landwirtschaft. Angeblich ist das nötig, um Investoren anzulocken. Untersuchungen in vielen Ländern haben aber gezeigt, dass es weitgehend wirkungslos ist. Eher sollte man das Investitionsklima dadurch verbessern, dass der Zeitaufwand für Unternehmensgründungen, für die Eintragung von Grundbesitz und für die Gewährung von Baugenehmigungen verkürzt wird, dass die Infrastruktur ausgebaut wird und Investoren Rechtssicherheit erhalten.
Steuerbefreiungen verzerren den Wettbewerb und können beachtliche Einnahmeausfälle zur Folge haben. In Tansania summieren sich laut einer Studie Steuerausnahmen und -ermäßigungen auf bis zu sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Steuerbefreiungen verringern die Steuerbasis, belasten die ohnehin überforderten Finanzämter zusätzlich, schaffen ein Klima der Steuervermeidung und fördern die Korruption. Dass dagegen nichts unternommen wird, liegt weniger am Fehlen von Einsicht als daran, dass einflussreiche Interessengruppen sich Reformen widersetzen und die Politik prägen.
Schlecht funktionierende Steuerbehörden werden häufig dafür verantwortlich gemacht, dass viele Staaten zu wenig einnehmen. Eine Verbesserung der Finanzbehörden hängt eng mit der Transparenz der Steuergesetze zusammen. Ohne Zweifel sind aber inkompetente und häufig korrupte Steuerbehörden ein großes Hindernis für eine wirksame und gerechte Besteuerung und für den Aufbau von Vertrauen zwischen den Bürgern und ihrer Regierung.
Halbautonome Steueragenturen arbeiten besser
Um Abhilfe zu schaffen, haben mehr als 30 Entwicklungsländer in den vergangenen 20 Jahren halbautonome Steueragenturen geschaffen, davon 17 in Subsahara-Afrika – unter anderem Ghana, Kenia, Mosambik, Südafrika, Tansania, Uganda und Sambia. Mit einer solchen Agentur sollen der Einzug von Steuern ganz oder teilweise der direkten Kontrolle des Finanzministeriums entzogen und Aufgaben, die auf verschiedene Ministerien verteilt waren, an einer Stelle zusammengeführt werden. Steueragenturen sollen nicht den bürokratischen Zwängen des Beamtenapparats unterliegen und politischen Störmanövern weniger ausgesetzt sein. Zum Beispiel können sie qualifizierten Mitarbeitenden höhere Gehälter zahlen als unter der staatlichen Beamtenbesoldung und Personal leichter entlassen.
Die Erfahrung zeigt, dass in einigen Ländern das Modell die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter fördert und zu besseren Ergebnissen führt. In Mosambik etwa ist die Steuerquote von 2006 bis 2010 von 14 auf etwa 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen (andere Staatseinnahmen als Steuern nicht mitgerechnet). In Sierra Leone waren die Fortschritte dagegen bescheiden, in Sambia folgte Stagnation auf leichte Fortschritte. Allerdings ist denkbar, dass die Erfolge größer waren als in den Zahlen erkennbar. Denn die Staatseinnahmen sind immerhin gleich bleiben, obwohl die Erträge aus der Einkommenssteuer und den Steuern auf den Außenhandel zurückgegangen sind.
Manche Länder setzen außerdem auf besseren Service: Sie haben zentrale Anlaufstellen („one-stop-shops“) für Steuerpflichtige eingerichtet und den bürokratischen Ablauf vereinfacht. Steuerzahler werden gründlich informiert und können ihre Steuererklärungen online einreichen. In Mosambik, Ruanda, Südafrika und Tansania wurden neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit zu Steuern entwickelt: Straßentheater, Radio- und Fernsehprogramme, auch die Schulen werden mit einbezogen. Doch offenbar bleibt ein großer Teil dieser Verbesserungen reine Schaumschlägerei. Die Steuerzahler sind weiter häufig mit Schmiergeldforderungen und Obstruktion konfrontiert, entgegenkommende Beamte sind eher die Ausnahme. Die Steuerbehörden kommen vor allem großen Unternehmen freundlich entgegen. Bei kleineren und mittleren Betrieben werden Steuern oft mit Zwang und Drohungen eingetrieben.
Problematisch ist auch, dass viele afrikanische Staaten zwar ihre Einnahmen gesteigert haben. Sie konzentrieren sich dabei aber auf offiziell registrierte Unternehmen, statt die Steuerbasis zu verbreitern. Die höheren Staatseinnahmen zeigen deshalb nicht unbedingt an, dass sich ein breiter „steuerbezogener Gesellschaftsvertrag“ zwischen Staat und Gesellschaft bildet. Sondern der Fiskus konzentriert sich auf wenige Steuerpflichtige, bei denen am meisten zu holen ist.
Das trifft besonders dort zu, wo der IWF und die Geber auf Fortschritte bei den Steuereinnahmen drängen. Wo sie allzu hohe Ziele vorgeben, tragen sie unter Umständen dazu bei, das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Steuerbehörden zu untergraben. Deshalb müssen ausgewogene Erfolgsmaßstäbe angelegt werden. Vor allem muss ein Gleichgewicht angestrebt werden zwischen mehr Steuereinnahmen und besserem Service in der Verwaltung – zum Beispiel die Bearbeitungszeit für Steuererklärungen, für Anträge auf Erstattung von Mehrwertsteuer und für Zollkontrollen zu verkürzen.
In Tansania zahlten 400 Steuerzahler 80 Prozent aller Steuern
In vielen afrikanischen Ländern ist die Zahl der registrierten Steuerzahler gering, und das Steueraufkommen wird zum größten Teil von wenigen mittleren und großen Unternehmen erbracht. In Tansania etwa waren 2008 bei einer Gesamtbevölkerung von mehr als 46 Millionen nur etwa 400.000 Steuerzahler erfasst. Im November 2010 zahlten weniger als 400 Steuerzahler etwa 80 Prozent der gesamten Steuern. Die zahlreichen Klein- und Kleinstunternehmer und viele Selbstständige wie Anwälte, Ärzte und private Unternehmensberater zahlen in der Regel gar keine Steuern.
Doch in armen Ländern findet ein großer Teil der Wirtschaftstätigkeit im informellen Sektor statt. Zwar sollte man nicht annehmen, dass sich mit der Besteuerung von Klein- und Kleinstunternehmern bedeutende Steuereinkünfte erzielen lassen. Doch es widerspricht dem Ziel, die Steuerbasis auszuweiten, wenn man die, die wenig zahlen können, gar nicht erst erfasst. Und die Steuerbasis auszuweiten ist eine wesentliche Bedingung für einen steuerbezogenen Gesellschaftsvertrag und die Schaffung eines gerechten Steuersystems.
Wie soll der informelle Sektor besteuert werden?
Es gibt also gute Gründe, sich mehr darum zu kümmern, dass man die städtische Schattenwirtschaft besteuert. Das wird in Afrika insgesamt nicht als vorrangig eingestuft, aber es gibt Ausnahmen. Die Steuerbehörden in Kenia, Mosambik und Tansania haben in jüngerer Zeit eine Reihe Schritte in diese Richtung getan – etwa mit einem vereinfachten Besteuerungsverfahren für Klein- und Kleinstunternehmer, besseren Informationsangeboten für Steuerpflichtige und Aufklärungskampagnen in lokalen Sprachen.
Doch eine breitere Besteuerung ist eng verbunden mit einer besseren Verwendung des Staatsbudgets. In vielen afrikanischen Ländern sehen die Bürger nicht ein, dass sie Steuern zahlen sollen, weil sie nicht erkennen können, dass sie dafür eine Gegenleistung bekommen. Wenn sie den Eindruck haben, ihre Steuergelder werden verschwendet oder falsch eingesetzt, bleibt ihre Zahlungsbereitschaft gering. Dagegen können Steuerreformen nicht viel ausrichten. Effizientere öffentliche Dienstleistungen und eine bessere Ausgabenpolitik müssen daher mit der Steigerung des Steueraufkommens einhergehen. Mit der Vermehrung der staatlichen Einnahmen sollte sich die gesamte Regierungsführung erkennbar verbessern. Ein größeres Regierungsbudget wird nur dann Fortschritte für die Entwicklung eines Landes bringen, wenn die staatlichen Mittel für öffentliche Aufgaben sinnvoll eingesetzt werden.
Autor
Odd-Helge Fjeldstad
ist Ökonom und forscht am Chr. Michelsen Institut in Bergen (Norwegen) vor allem zu Steuern in Afrika.In den meisten afrikanischen Ländern sind weiter große Anstrengungen nötig, bis ein größerer Teil der Bevölkerung Steuern als legitim akzeptiert und zum Aufkommen beiträgt. Entwicklungsorganisationen sollten zusammenarbeiten und Gruppen der Zivilgesellschaft, die sich mit Steuerfragen beschäftigen, stärker unterstützen. Solche Gruppen, zu denen auch Unternehmerverbände, Gewerkschaften und Religionsgemeinschaften zählen, können den Auseinandersetzungen um die Steuerpolitik eine neue Richtung geben. Auch Parlamentarier und Medien müssen einbezogen werden. Einheimische Forschung zur Steuerpolitik zu fördern, kann ebenfalls dazu beitragen, dass über diese Fragen qualifizierter diskutiert wird.
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