Ägypten: Salafisten werben um Christen

Das ägyptische Wahlgesetz führt zu bemerkenswerten Koalitionen. Eine obligatorische Quote für Christen zwingt die Al-Nur-Partei der Salafisten sich nach christlichen Kandidaten umzuschauen. Offenbar mit Erfolg.

Salafisten und Christen sind in Ägypten eigentlich wie Feuer und Wasser. Salafistische Prediger bezeichnen Christen gerne mal als Ungläubige oder als Bürger zweiter Klasse. Vor zwei Jahren, als die Muslimbrüder zusammen mit den Salafisten an der Regierung waren, wollte die Al-Nur-Partei allen Muslimen sogar verbieten, ihren christlichen Nachbarn an Weihnachten und Ostern ein frohes Fest zu wünschen. So etwas sei unislamisch.

Seit der Absetzung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Juli 2013 sind die Karten neu gemischt. Die vom Militär unterstützte Regierung hat nun bestimmt, dass im neuen Parlament, das in zwei Wahlgängen Ende März und Anfang April gewählt werden soll, mindestens 24 Sitze von Christen besetzt sein sollen. Für Frauen und die junge Generation gibt es ebenfalls reservierte Sitze. Entsprechend müssen sich diese Quoten auch auf den Listen der antretenden Parteien niederschlagen.

Bei ihrer Suche nach christlichen Kandidaten hat die salafistische Al-Nur-Partei offenbar Erfolg. Einige hätten sich schon bereit erklärt, lässt die Partei wissen. Die Namen wolle man aber erst veröffentlichen, wenn die Liste vollständig sei. In den Kirchen und unter den Christen wird die Quote heiß diskutiert. „Insgesamt ist diese Regelung eine gute Übergangslösung für die Gruppen, die aus religiösen oder kulturellen Gründen sonst keine Chance auf einen Parlamentssitz hätten“, sagt Freddy Elbaiady, der zu Zeiten von Mohammed Mursi einer der wenigen christlichen Abgeordneten im Oberhaus war. Doch dass Christen sich jetzt mit der Al-Nur-Partei zusammentun, könne er nicht verstehen. Er vermute, dass Al-Nur die Kandidaten gekauft habe.

Eine Grund für die Allianz könnte das Scheidungsrecht sein

Ein weiterer Grund, als Christ mit den Salafisten gemeinsame Sache zu machen, könnte auch die rigide Haltung der koptisch-orthodoxen Kirche in Scheidungsfragen sein. Erst kürzlich hat Papst Tawadros II. unmissverständlich erklärt, eine orthodoxe Ehe könne nicht geschieden werden. Und da in Ägypten für Fragen des Personenstandsrechts die jeweilige Religionsgemeinschaft zuständig ist, können koptische Ägypter sich nicht scheiden lassen.

Für eine Liberalisierung des Scheidungsrechts macht sich vor allem die koptische Laienbewegung Copts 38 stark, die schon des Öfteren auf Konfrontationskurs zur Kirchenhierarchie gegangen ist. Viele halten für wahrscheinlich, dass die Quotenchristen für Al-Nur aus ihren Reihen stammen. Die Salafisten streben für Ägypten einen islamischen Staat an, und nach islamischem Recht kann sich ein Mann sehr leicht von seiner Frau scheiden lassen. 

Das koptisch-orthodoxe Patriarchat äußert sich nur allgemein zu den Christen auf der Al-Nur-Liste. Jeder dürfe sich aufstellen lassen, egal von wem, heißt es diplomatisch. Viele Christen sehen in einer Kandidatur für die Salafisten einen Verrat an der eigenen Glaubensgemeinschaft. „Jeder Christ, der sich für Al-Nur aufstellen lässt, gibt seine Würde auf“, sagt der orthodoxe Priester Abd al-Masih Basit. Wer ein Problem mit seiner Kirche oder deren Auffassung zur Scheidung habe, solle lieber seinen Glauben aufgeben.

 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2015: Nothilfe: Aus Trümmern Neues schaffen
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