„Ein besseres Verständnis davon, wie Menschen ihre Entscheidungen treffen, hilft nicht nur den Verkäufern von Seife und Autos“, sagte Weltbank-Präsident Jim Yong Kim bei der Vorstellung des Berichtes in Washington. Neue Erkenntnisse der Sozialwissenschaften könnten viel dazu beitragen, Hilfsprogramme für Arme und Benachteiligte effizienter zu machen.
Die Weltbank vollzieht damit eine Abkehr vom wirtschaftswissenschaftlichen Modell des „homo oeconomicus“, der vor einer Entscheidung alle Alternativen sorgfältig abwägt, ihre Folgen bedenkt, und dann die – nach seinen Präferenzen – beste Möglichkeit wählt.
Die Autoren des Berichtes mit dem Titel „Mind, Society and Behavior“ führen drei Prinzipien aus, die das Denken und Handeln beeinflussen: spontane Reaktionen, soziale Normen sowie Überzeugungen, die sich über die Zeit in Gemeinschaften gebildet haben. Sie können dazu führen, dass etwa Angehörige benachteiligter Gruppen ihre Fähigkeiten, sich aus der Armut zu befreien, unterschätzen.
Psychologische und soziale Faktoren hätten großen Einfluss darauf, ob Menschen ihre Kinder zur Schule schicken, Geld sparen, um einen Betrieb zu gründen, oder auf ihre Gesundheit achten, betonte Kim. Es komme nicht nur auf die Art der Interventionen an, sondern auch darauf, wie und zu welchem Zeitpunkt sie umgesetzt werden.
"Learning by doing" statt vorgefertigte Lösungen
In der Konsequenz heißt das, weniger vorgefertigten Lösungen und stärker einem „learning by doing“-Ansatz zu folgen. Der Bericht listet eine Reihe von Beispielen auf, in denen etwa die Erkenntnis, dass Menschen soziale Wesen sind und sich andere zum Vorbild nehmen, bereits umgesetzt wurde.
In der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá veröffentlichte die Stadtverwaltung – nach mehreren erfolglosen Versuchen, die Einwohner zum Wassersparen zu animieren – die Namen derer in den Medien, die sich während einer Dürre im sparsamen Umgang mit Wasser hervorgetan hatten. Daraufhin sank in der ganzen Stadt der Wasserverbrauch.
In eine ähnliche Richtung geht der Ansatz, Bildung mittels Unterhaltung zu fördern. So ließen sich die Zuschauer der TV-Seifenoper „Scandal!“ in Südafrika mit Hilfe der Protagonisten beibringen, wie sie besser mit Geld umgehen können.
Auch Mitarbeiter von Entwicklungsorganisationen sind Opfer von Vorurteilen
Der Bericht enthält darüber hinaus einen kritischen Blick auf die Denk- und Entscheidungsmuster von Weltbank-Mitarbeitern, die Programme zur Bekämpfung der Armut maßgeblich prägen. Laut einer Umfrage unterstellten sie armen Menschen in Jakarta und Lima weitaus stärkere Gefühle der Hilflosigkeit und mangelnder Kontrolle über die Zukunft als diese selbst zum Ausdruck brachten.
Mitarbeiter von Entwicklungsorganisationen seien nicht vor Fehlern und Fehlinterpretationen aufgrund von sozialen Normen und althergebrachter Überzeugungen gefeit, bilanzieren die Autoren. Sie müssten sich diese Gefahren stärker bewusst machen; Entwicklungsorganisationen sollten – nicht näher bezeichnete – Methoden entwickeln, mit denen solche Verzerrungen abgeschwächt werden können. (gka)
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