Angeln im Gemüsebeet

Nutzbares Ackerland wird weniger, während Städte und Weltbevölkerung wachsen. Deshalb steigt der Bedarf an umweltverträglich produzierten Lebensmitteln. Eine neu aufgelegte Anbaumethode kann helfen.

Landwirtschaft in der Stadt ist mehr als Sprossenkeimlinge im Glas und Kresse-Igel auf der Fensterbank. In Ballungsräumen entstehen zunehmend neue Anbauideen – mit kurzen Transportwegen zum Verbraucher. Oft kommen sie ohne Boden oder Erde aus. Besonders im Trend: Mit Hilfe von Aquaponik lassen sich gleichzeitig Fische züchten und Gemüse anbauen. Wasser- und Flächenverbrauch sind dabei weitaus geringer als bei herkömmlichen Anbaumethoden, und umweltfreundlicher ist es auch.

Aquaponik kombiniert Aquakultur (Fischzucht) und Hydroponik (erdfreie Pflanzenzucht). Das Ökosystem versorgt sich selbst: Die Ausscheidungen der Fische düngen die Pflanzen, und deren Wurzeln filtern das Wasser. Neu ist diese Methode nicht. In Südchina züchten Bauern seit rund 1200 Jahren Fische in ihren Reisfeldern, und in den USA wird seit den 1980er Jahren an aquaponischen Systemen geforscht. „In Deutschland bauen Hunderte Menschen Aquaponikanlagen in ihren Hinterhöfen selbst“, sagt der Biologe Werner Kloas, „aber da sind die Einbußen oft sehr hoch.“ Wenn der Nährstofffluss nicht kontrolliert wird, vermehren sich Algen, Bakterien und Plankton. Im schlimmsten Fall kippt das System und wird unbrauchbar.

Kloas arbeitet am Leibniz-Institut für Gewässer­ökologie und Binnenfischerei in Berlin. Er leitet das EU-geförderte „Tomatenfisch“-Projekt: In Gewächshäusern werden emissionsfrei Tomaten und Fische produziert. Unten schwimmen in einem Tank Tilapia-Buntbarsche, auf einer höher gelegenen Fläche wachsen Tomaten auf anorganischem Pflanzensubstrat wie Tongranulat oder Kies. Die Ausscheidungen der Fische werden in einem Biofilter umgewandelt, bevor das Wasser zu den Pflanzenwurzeln hochgepumpt wird. Das überschüssige Wasser gelangt wieder zurück in den Fischtank. Gleichzeitig wandeln die Pflanzen das von den Fischen abgegebene Kohlenstoffdioxid wieder in Sauerstoff um.

Der Pflanzen-Fisch-Kreislauf arbeitet fast emissionfrei

Der geschlossene Pflanzen-Fisch-Kreislauf funktioniert fast ohne CO2-Ausstoß und ohne künstlichen Dünger. Mit den Ausscheidungen von einem Kilogramm Fisch können rund fünf Kilo Gemüse gedüngt werden. Und es geht kaum Wasser verloren: Verdunstete Flüssigkeit wird aufgefangen, gefiltert und wieder in das Fischbecken geleitet. Sogar die Abfallprodukte von Fischen und Pflanzen können wiederverwertet werden. Die erzeugen in der integrierten Biogasanlage Energie für das System. Neben dem 150 Quadratmeter großen Prototyp im Leibniz-Institut gibt es fünf gleiche Anlagen in Deutschland sowie ein ähnliches Modell an der Universität Rostock.

Das Berliner Startup-Unternehmen Efficient City Farming (ECF) will im kommenden Jahr die bislang größte Aquaponik-Farm Deutschlands in Betrieb nehmen. Auf knapp 2000 Quadratmetern sollen dann pro Jahr 24 Tonnen Fisch und 35 Tonnen Gemüse produziert werden. In den holländischen Gewächshäusern wachsen zwar rund zweieinhalb Mal so viele Tomaten auf einer gleich großen Fläche, aber hier werden pro Kilo 184 Liter Wasser benötigt. Bei der Aquaponik sind es nur 30 bis 50 Liter. Und weil man die ECF-Farm-Systeme stapeln kann, verbrauchen sie zudem bis zu 70 Prozent weniger Platz als die herkömmliche Landwirtschaft. In der Schweiz nutzt das Unternehmen Urban Farmers schon seit 2011 überwiegend Dachterrassen für aquaponische Container.

Auch in Südafrka wird mit Aquaponik experimentiert

Für die Stadt, findet Kloas, sind Kleinanlagen gut geeignet. Zumindest für den Eigenbedarf. In der Gewinnzone landet man erst ab 1000 Quadratmetern. Kloas ist überzeugt, dass sich Aquaponik als Produktionsweise durchsetzen wird. „Aus ökologischen und aus ökonomischen Gründen werden noch viel mehr geschlossene Kreislaufsysteme in der Landwirtschaft benötigt.“
In einer einfachen Variante des „Tomatenfisch“-Systems sieht Kloas auch Potenzial für Entwicklungsländer. Kontakte zu Universitäten in Ägypten und Nigeria wurden schon geknüpft. Zuerst will das Leibniz-Institut herausfinden, was die Menschen vor Ort brauchen und wollen. Und die passende Förderung für ein Pilotprojekt fehlt auch noch – interessant, aber kompliziert und teuer, sagt die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Leslie Ter Morshuizen kennt die Grenzen der Aquaponik in Entwicklungs- und Schwellenländern. Der Südafrikaner ist Gründer von Aquaculture Innovations und berät Unternehmen zu Aquakulturen. Seit zwei Jahren testet seine Firma, ob sich Aquaponik in Südafrika rentiert. Zumindest wo es eine stabile Stromversorgung gibt sei das Konzept mit entsprechender Ausbildung technisch gut umsetzbar, sagt Morshuizen. Wichtig sei aber eine gründliche Marktanalyse: Wo es genug fruchtbares Ackerland gibt, werde Aquaponik nicht gebraucht. Und in ländlichen Gebieten ohne Marktplatz auch nicht: Für die leicht verderblichen Fische sind die Transportwege einfach zu lang.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2014: Früchte des Bodens
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