Wahl in Brasilien: „Düstere Aussichten für die Umwelt“

Dilma Rousseff hat die Präsidentschaftswahl in Brasilien knapp gewonnen. Für den Umweltschutz und die Rechte Indigener bedeutet das nichts Gutes, warnt Dawid Bartelt, Leiter des Brasilienbüros der Heinrich-Böll-Stiftung.

Was bedeutet der Wahlausgang für die Umweltpolitik in Brasilien?
Bartelt: Umweltfragen haben im Wahlkampf keine Rolle gespielt. Weder für Dilma Rousseff noch Aécio Neves ist das Thema besonders wichtig. Im Klimaschutz hat die Regierung der Arbeiterpartei PT seit 2002 zwar große Erfolge erzielt, sie hat sich freiwillig zurReduzierung von CO2 verpflichtet. Auch die Entwaldung wurde deutlich verlangsamt, auch wenn im vergangenen Jahr wieder deutlich mehr Regenwald zerstört wurde als im Vorjahr. Für ihre Wirtschaftspolitik nimmt die Regierung jedoch erhebliche ökologische und soziale Kosten  in Kauf. Vor allem die Auswirkungen der großen Wasserkraftwerke sind ökologisch verheerend. Immer wichtiger wird auch der Abbau von Rohstoffen. Die Regierung Rousseff will nun ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das den Bergbau in indigenen Schutzgebieten erlaubt. Auch die Tiefsee-Erdölfelder vor der brasilianischen Küste sollen stärker als bisher ausgebeutet werden. Zudem ist zu erwarten, dass der exportorientierte Anbau von Gensoja, Genmais und Zuckerrohr für Agrosprit weitere Landflächen verschlingen wird. 

Hat Dilma Rousseff aus der Protestbewegung in Brasilien Konsequenzen gezogen?
Rousseff ist auf die traditionellen politischen Institutionen fixiert; die zivilgesellschaftliche Orientierung der frühen PT hat sie nicht übernommen. Die Vertreter der Demonstranten nach den Protesten vom Juni und Juli 2013 hat sie eher widerwillig empfangen. Wie alle Kandidaten hat sie versprochen, die großen Themen der Proteste anzugehen, also das Chaos im öffentlichen Nahverkehr, die miserable öffentliche Grundschulbildung und das unterversorgte staatliche  Gesundheitswesen. Getan hat sich bisher nichts. Rousseff hatte den Demonstranten versprochen, eine umfassende politische Reform einzuleiten, sogar von einem Volksentscheid war die Rede. Doch ich bin nicht besonders optimistisch, dass sich in den nächsten vier Jahren viel bewegen wird.

Ist mit Gegenwind aus dem Parlament zu rechnen?
Die Arbeiterpartei PT hat von 88 Sitzen im Abgeordnetenhaus 18 verloren und hat jetzt nur noch 13,6 Prozent der Sitze. Der wichtigste Koalitionspartner PMDB kommt auf 66 Sitze. Drittstärkste Kraft ist die führende Oppositionspartei PSDB von Aécio Neves. Das bedeutet, dass Rousseff weiter auf eine Koalition mit einigen der 28 Parteien angewiesen ist, die im Parlament vertreten sind. Eine stabile Koalition zu bilden ist schwierig, denn so etwas wie Fraktionsdisziplin gibt es bei diesen Parteien nicht. Sie sind eher lose Interessenvereinigungen und darauf bedacht, bei der Verteilung von Ämtern und öffentlichen Mitteln berücksichtigt zu werden. Das ist eines der vielen Probleme des politischen Systems Brasiliens. Im Parlament sind vor allem die die fraktionsübergreifenden Zusammenschlüsse von Parlamentariern wichtig, die so genannten bancadas. Die beiden größten haben ihre Position ausgebaut: die der konservativen evangelisch-evangelikalen Politiker und die der Vertreter des Agrobusiness. Sie werden eine fortschrittliche Gesellschaftspolitik sowie eine an den Rechten von Indigenen, Waldbewohnern und anderen Minderheiten orientierte Umweltschutzpolitik mit allen Kräften torpedieren. Und da die Regierung Rousseff mit dem Agrobusiness gute Beziehungen pflegt, sind gerade im Bereich Umweltgerechtigkeit die Aussichten düster.

Dawid Bartelt ist Leiter des Brasilienbüros der Heinrich-Böll-Stiftung.

Die Fragen stellt Elvira Treffinger.

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