Kaum war die Fußball-Weltmeisterschaft vorbei, hatte Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff den nächsten großen Auftritt auf der internationalen Bühne. Beim Gipfel der BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) in Fortaleza ging es jedoch um ernstere Themen. Die aufstrebenden Schwellenländer machen keinen Hehl daraus, dass die beschlossene Entwicklungsbank und die Währungsreserve eine Reaktion auf die aus ihrer Sicht unzureichende Reform von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) sind, in denen sie gern mehr Mitsprache hätten. Mit eigenen Institutionen wollen die BRICS-Staaten nun ihren Einfluss auf die internationalen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen vergrößern.
Kritiker fürchten indes, dass die BRICS-Bank und die geplante Währungsreserve die gleiche Finanz- und Entwicklungspolitik betreiben werden wie die von den Industriestaaten dominierten IWF und Weltbank – mit ähnlichen oder sogar noch größeren schädlichen Folgen für Mensch und Umwelt. Vom parallel zum BRICS-Gipfel tagenden Gewerkschaftsforum hieß es etwa, man fürchte ein Unterlaufen von Arbeitnehmerrechten.
Der Ökonom und Aktivist Patrick Bond aus Durban, der sich für „BRICS von unten“ einsetzt, kritisiert, die fünf Staaten befeuerten mit ihrem Handeln den westlichen Kapitalismus mit all seinen Auswüchsen. Als Beleg dafür wertet Bond die Tatsache, dass die geplante Währungsreserve krisengeschüttelte Länder ausgerechnet mit US-Dollar stabilisieren solle und die Kreditvergabe an zum Teil identische Bedingungen wie bei der Weltbank und dem IWF geknüpft sein wird. Bond fürchtet, dass die neue Entwicklungsbank vor allem Großprojekte von Konzernen der BRICS-Länder finanzieren wird.
Peter Wolff vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) wertet es hingegen als erfreulich, dass es künftig neben der Weltbank sowie den regionalen und nationalen Entwicklungsbanken ein weiteres internationales Finanzinstitut geben wird. Das beschere den Nehmerländern zusätzliche Wahlmöglichkeiten – zum Beispiel in Bezug auf die Kreditbedingungen.
Inwieweit sich die Politik der BRICS-Institutionen von der der Weltbank und des IWF unterscheiden werde, sei noch nicht absehbar, sagt Wolff. Die BRICS sprechen in ihrer Erklärung von Fortaleza von „Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen“. Das klingt wie aus dem chinesischen Weißbuch zur Entwicklungshilfe, das nur wenige Tage vor dem Gipfel herausgegeben wurde. Soziale Entwicklung, der Kampf gegen Armut und Ungleichheit sollen laut der BRICS-Erklärung eine wichtige Rolle spielen.
Fossile Brennstoffe als „Hauptquelle der Energieversorgung“
Die Erklärung von Fortaleza spricht zwar durchweg vom Ziel einer „nachhaltigen und inklusiven Entwicklung“. Auf der anderen Seite ließen die fünf Staaten keinen Zweifel an ihren entwicklungspolitischen Prioritäten: „Fossile Brennstoffe bleiben eine Hauptquelle der Energieversorgung“, heißt es etwa in der Erklärung. Mit Blick auf den Klimaschutz sprechen sie weiter von „gemeinsamer, aber unterschiedlicher Verantwortung“ zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Unklar ist, an welche Umweltstandards die Finanzierung von Projekten geknüpft wird. Über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben die BRICS-Länder bislang überhaupt nicht gesprochen.
Die neue Entwicklungsbank wird ihre ersten Kredite voraussichtlich erst in mehreren Jahren auszahlen. Nach Ansicht von Peter Wolff liegt der Fokus in der Debatte aber ohnehin zu stark auf den Finanzen. Es gebe derzeit nicht zu wenig Geld, sondern schlicht zu wenig gute Projekte, die finanziert werden könnten. Die Standards der etablierten multilateralen Entwicklungsbanken seien hoch. Wolff glaubt nicht, dass die BRICS-Bank diese unterlaufen werde.
Während in der von Argentinien und Venezuela weiter propagierten Regionalbank für Südamerika (Banco del Sur) jedes Mitgliedsland die gleichen Rechte haben soll, ist die Dominanz der BRICS in den Fortaleza-Institutionen programmiert. Obwohl die Entwicklungsbank allen Staaten offen stehen soll, beanspruchen die Gründer eine Mehrheit in den Entscheidungsgremien.
Die Währungsreserve indes steht zunächst nur den BRICS-Staaten offen. China hält hier bereits jetzt mit Abstand den größten Anteil und wird beide Institutionen aufgrund seiner Finanzkraft mittelfristig ähnlich dominieren wie die USA den IWF und die Weltbank; die neue Bank hat ihren Hauptsitz folgerichtig in Schanghai.
Die Parlamente aller BRICS-Staaten müssen der Einrichtung von Entwicklungsbank und Währungsreserve noch zustimmen. Dann werden die Einzahlungen fällig. Der Bank sollen die fünf Staaten bis 2021 je 10 Milliarden US-Dollar Eigenkapital bereitstellen. Die Währungsreserve soll 100 Milliarden erhalten, davon 41 Prozent von China.
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