Ein kleiner Sieg über die FIFA

Salvador de Bahia wirbt mit Stränden, restaurierter Altstadt und afrobrasilianischen Rhythmen: In wenigen Wochen bestreitet die deutsche Nationalmannschaft hier ihr WM-Auftaktspiel. Von Fußballbegeisterung ist in der Stadt wenig zu spüren – doch ein paar streitbare Frauen haben ihre Interessen durchgesetzt.

„Das einzige, was bleiben wird, ist das neue Stadion. Dafür wurden die alte Arena, das Schwimmbad und ein Volleyballplatz abgerissen“, sagt Argemiro Ferreira de Almeida vom WM-kritischen Comitê Popular da Copa.  Das ist nicht viel, gemessen an den versprochenen Investitionen: Die Salvadorianer warten seit 17 Jahren auf eine Metro, die Busse stecken regelmäßig im Stau.

Damit die Fußballfans pünktlich ins Stadion kommen, fällt  einen ganzen Monat der  Unterricht aus. „Ich freue mich nicht auf die WM, wir haben jetzt zwei Monate keine Schule“, beschwert sich die 17-jährige Afrodite Soraya. Direkt nach dem Turnier beginnen vierwöchige Ferien, und der Unterricht wird nicht nachgeholt.      

Als Brasilien 2007 den Zuschlag für die WM erhielt, waren die Erwartungen groß. Der Traum, im eigenen Land Weltmeister zu werden und den Titel zum sechsten Mal zu holen, erfasste die Fans. Viele Brasilianer hofften, dass sich mit den Vorbereitungen auf das Sportereignis auch ihre Lebensbedingungen verbessern würden. Bildung, Gesundheit, Wohnen und ein funktionierender Nahverkehr standen ganz oben auf der Agenda.

"Die Wünsche der FIFA stehen über den Gesetzen"

„Es gab jedoch keinen Dialog mit den Bürgern. Die Wünsche der FIFA stehen anscheinend über den Gesetzen“, sagt Lysié Reis. Das WM-Gesetz sieht vor, dass in einem Radius von zwei Kilometern um das neue Stadion nur Produkte von Sponsoren des Weltfußballverbandes verkauft werden dürfen. Die Dozentin für Architektur und Stadtplanung an der staatlichen Universität befürchtet: „Salvador wird eine gesäuberte Stadt - als ob hier keine keine Menschen leben.“

Einen kleinen Sieg gegen die Auflagen der FIFA haben die Baianas de Acarajé errungen. Die Frauen in den weiten Reifröcken bieten einen traditionellen Imbiss an: In Palmöl frittierte Krapfen aus gemahlenen Bohnen und Zwiebeln, oft gefüllt mit Krabben.  Bis vor kurzem haben sie den auch im alten Fußballstadion verkauft.

Dann kam die FIFA und wollte die Baianas de Acarajé wie andere Verkäufer aus dem Stadion verbannen. Dagegen organisierten die Baianas mit ihrer Organisation ABAM einen Proteststurm im Internet. Unter strengen Auflagen und mit Elektropfannen dürfen jetzt einige von ihnen in abgetrennten Bereichen ihr Essen anbieten. „Das hat die FIFA in anderen Ländern nicht genehmigt“, sagt Rita Ventura dos Santos von ABAM stolz.

Obdachlose stören das saubere Straßenbild

Besonders bedroht von „Säuberungen“ vor der Fußball-WM sind Menschen, die auf der Straße leben. Mit Sorge sieht Lucia Maria Pereira, die nationale Koordinatorin der Bewegung der Straßenbewohner (RUA) der WM entgegen: „Beim Confed Cup im vergangenen Jahr hat man Obdachlose in einer ehemaligen psychiatrischen Klinik versteckt. Es gab dort nicht einmal Matratzen, nur Müll.“

Der Staatssekretär für die WM des Bundesstaats Bahia, Ney Campello, bestreitet entschieden, dass Obdachlose aus der Stadt vertrieben wurden. 30 Obdachlose, die unter den Bögen des alten Stadions gelebt haben, hätten sogar beim Bau der neuen Arena Arbeit gefunden. „Wir bieten Obdachlosen während der WM Unterkünfte an, aber niemand wird gezwungen, dort unterzukommen. Wir werden den Fußballfans keine gesäuberte Stadt liefern.“     

Zum Weiterlesen:
Brot für die Welt hat anlässlich der Fußball-WM die Aktion „Fair Play for Fair Life“ gestartet und gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland eine Broschüre mit Tipps für die Gottesdienstgestaltung herausgegeben.

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