Nach der ÖRK-Vollversammlung in Busan im Herbst 2013 hätte Südkorea in die Geschichte eingehen können als das Land, das binnen Jahresfrist ein weiteres Großtreffen der weltweiten Ökumene ausrichtet. Der südkoreanische Staat und die dortigen Kirchen hätten dafür noch einmal viel Geld in die Hand genommen. Die Weltweite Evangelikale Allianz (WEA) hat nun aber ihre Generalversammlung abgesagt, die im Oktober 2014 eigentlich 7000 Delegierte aus aller Welt nach Seoul hätte bringen sollen.
Ausgerechnet beim Thema Ökumene gehen die Meinungen in der evangelikalen Szene in Südkorea so stark auseinander, dass mittlerweile von einer Spaltung des Koreanischen Kirchenrats die Rede ist; der Rat ist der konservativere der beiden nationalen Kirchenbünde. „Wir wollten uns nicht in diesen Konflikt einmischen“, sagt Rolf Hille, Ökumene-Direktor der WEA.
Bereits das Vorbereitungstreffen im letzten Herbst habe kurzfristig von Seoul nach Manila verlegt werden müssen. Man habe gehofft, dass die evangelikalen Kirchen in Korea wieder zusammenfinden, indem sie die Großveranstaltung gemeinsam organisieren. Doch die koreanischen Kirchen seien sich zu uneinig, wie weit sie die Annäherung der Weltweiten Evangelikalen Allianz an den ÖRK mittragen sollen. „Allein die Tatsache, dass zehn Spitzenvertreter der WEA in Busan mit dabei waren, ging für einige Kirchen zu weit“, sagt Hille.
Beim ÖRK-Treffen 2013 gab es Hassparolen gegen die Ökumene
Dass es in Südkorea extrem antiökumenische Stimmen gibt, ist nichts Neues. Bereits im Vorfeld der ÖRK-Vollversammlung hatte der ultrakonservative Flügel unter den Evangelikalen versucht, die mehr als 300 protestantischen Kirchen und Gemeindebünde zu einer gemeinsamen Stellungnahme gegen Homosexualität, interreligiösen Dialog und Ökumene zu bringen. Und während der Weltkirchenrat in Busan tagte, waren immer wieder Tausende von evangelikalen Christen mit Hassparolen gegen ihn auf die Straße gegangen.
Mentalität des Kalten Kriegs
Die große Presbyterianische Kirche von Korea hat inzwischen den Koreanischen Kirchenrat verlassen. Der Rat sei nun „personell und finanziell zu schwach, um eine solche Großveranstaltung wie die WEA-Generalversammlung stemmen zu können“, sagt Lutz Drescher, Ostasien-Verbindungsreferent der Evangelischen Mission in Solidarität. Die Differenzen seien nach wie vor Ausdruck einer Mentalität des Kalten Kriegs und eine Folge des Bruderkriegs von 1950 bis 1953.
„Als sich Ende der 1950er Jahre einige südkoreanische Kirchen dem ÖRK anschlossen, warfen andere Kirchen dem Weltkirchenrat vor, vom Kommunismus unterwandert zu sein“, sagt Drescher. Heute wiederum gelte der ÖRK bei vielen Evangelikalen als viel zu liberal. Nach wie vor werde in Korea in starken Gegensätzen und Feindbildern gedacht; Konflikte seien oft ideologischer Natur.
Religionsgeschichtlich ist Südkorea ein Sonderfall. In keinem anderen Land Asiens hat der von Missionaren im 19. Jahrhundert mitgebrachte christliche Glaube so schnell so viel Erfolg gehabt. Von den rund 50 Millionen Einwohnern Südkoreas sind heute etwa ein Drittel Christen. Die meisten sind Protestanten, von denen viele zum evangelikalen Lager gehören. Zusammen mit den Katholiken haben die Christen einen fast gleich hohen Anteil an der Bevölkerung wie Buddhisten. Das verbleibende Drittel der Südkoreaner gibt an, keiner Religion anzugehören.
Nach dem Ökumenischen Rat der Kirchen und dem Lutherischen Weltbund ist die Evangelikale Allianz die drittgrößte ökumenische Organisation. Nach eigenen Angaben vertritt sie 600 Millionen Christen in 129 Ländern. Dass sie nun ihre alle sechs Jahre stattfindende Generalversammlung absagen und auf unbestimmte Zeit vertagen musste, bringt sie unter Druck, möglichst bald einen neuen Gastgeber zu finden. Schließlich muss die Generalversammlung die Richtung für die nächsten sechs Jahre vorgeben.
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