Seit Generationen ziehen Politiker, die sich beliebt machen wollen, mit einem Tross von Journalisten durch die Lande – mal in heimische Bierzelte, mal in afghanische Feldlager oder afrikanische Frauenprojekte. Das ist für uns Schreiberlinge eine nützliche Sitte. Als Politiker weiß man aber nie, welches Bild man am Ende abgibt, wenn man sich mit Journalisten einlassen muss, um populär zu werden.
Dass es anders geht, hat ausgerechnet der chinesische Staatspräsident Xi Jinping vorgemacht. Der hat seine Journalisten völlig unter der Fuchtel. Dennoch ist er ohne jeden Reporter zur bisher größten PR-Aktion aufgebrochen: Er betrat unangemeldet ein einfaches Pekinger Schnellrestaurant, stellte sich in die Schlange, orderte gefüllte Hefeknödel für zwei Euro fünfzig und zahlte sogar selbst.
Ein Lied auf die Großtat des Staatspräsidenten
Der Erfolg war überwältigend: Kunden zückten ihre Handys und lichteten den Staatsführer ab, der sich mit Baozi und Salzgemüse unters Volk gemischt hatte. In kürzester Zeit verbreiteten sich die verwackelten Fotos übers Internet – gefolgt von einem Lied auf Xi Jinpings Großtat, das ein von Rührung überwältigter Komponist sogleich verfasst hatte. Das Schnellrestaurant konnte sich anschließend vor dem Andrang auf das „Präsidentenmenü“ kaum retten.
Chinas Journalisten aber sprangen nach der Niederlage gegen die Bürgerreporter auf den Zug auf und heizten die Verehrung des neuen guten Kaisers weiter an. Das brachte ihnen eine zweite Demütigung ein: Die Zensurbehörde wies sie besorgt an, das Thema „abzukühlen“. Die Kollegen können einem wirklich leidtun; am Ende werden sie gar entbehrlich. Bei uns dagegen holen prominente Teile der Medien noch selbst Volkes Stimme ein und rufen neue Heilsbringer und Schurken aus. Dringend sollten also mehr Journalisten aus China bei „Bild“, „Bunte“ und Co hospitieren.
Neuen Kommentar hinzufügen