Eigentlich hätte der Europäische Rat im Dezember zum ersten Mal die „Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (GSVP) der EU grundsätzlich beraten sollen, die seit dem Lissabon-Vertrag von 2009 neuer vergemeinschafteter Politikbereich ist. Doch die Staats- und Regierungschefs nickten lediglich eine Vorlage der EU-Kommission ab, da sie auf dem zweitägigen Gipfel vor allem mit der Euro- und Bankenrettung beschäftigt waren.
Schon diese Kommissionsvorlage mit dem Titel „Auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigeren und effizienteren Verteidigungs- und Sicherheitssektor“ hatte sorgfältig die Frage umgangen, wie denn nun eine gemeinsame EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik aussehen könnte. Zwar werden in dem Papier wortreich die „neuen und globalen Herausforderungen“ beschworen, aber die von den EU-Kommissaren Antonio Tajani (Industrie) und Michel Barnier (Binnenmarkt) verfasste Vorlage befasste sich ausschließlich damit, wie die europäische Rüstungsindustrie gefördert werden müsste, um „global wettbewerbsfähig“ zu werden.
Autor
Heimo Claasen
ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".Da geht es um Drohnen „der nächsten Generation“, um die „effiziente Produktion“ von schwerem Gerät wie Jagdbombern und den dazu nötigen Tankfliegern, um satellitengestützte Kommunikationssysteme und nicht zuletzt um Hochtechnologie, die sich sowohl zivil als auch militärisch nutzen lässt. Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) soll nach dem Papier die Förderung koordinieren. Derzeit „berät“ die Agentur bereits „unter Aufsicht des Ministerrats“, allerdings außerhalb jeglicher Haushaltkontrolle, mit den Rüstungsfirmen der EU über militärische Beschaffungen und erhält für diesen Auftrag 30 Millionen Euro jährlich aus dem EU-Haushalt. Der EU-Gipfel übernahm zu Weihnachten die Stichworte der EU-Kommission zumeist wortwörtlich als „Schwerpunkte“ der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Doch wie mit dergleichen Gerät Milizen in Mali, Somalia oder in der Republik Zentralafrika entwaffnet werden könnten, um die Bevölkerung zu schützen, war auf dem EU-Gipfel kein Thema.
Pläne für Zentralafrikanische Republik
Zum Militäreinsatz Frankreichs in Zentralafrika erklärte Bundeskanzlerin Merkel: „Wir werden uns mit Truppen und Soldaten nicht beteiligen, das habe ich dem französischen Präsidenten auch gesagt.“ Über andere Möglichkeiten würde im Januar geredet. Inzwischen haben Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz und Ärzte ohne Grenzen sich aus weiten Teilen des Landes zurückziehen müssen, weil elementare Sicherheit nicht mehr gegeben ist.
Laut der Kommissionsvorlage sowie Verlautbarungen und Beschlüssen des EU-Ministerrats will die Europäische Union vor allem die Bemühungen von Partnerländern und regionalen Organisationen unterstützen. Aus dem „Instrument für Stabilität“ werden circa zwei Drittel der Kosten bezahlt, die auf die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) zukommen, nachdem sie die französischen Truppen in Mali abgelöst hat. Die Afrikanische Union erhält aus der von der EU eingerichteten Afrikanische Friedensfazilität einen ersten Abschlag von 30 Millionen Euro für die Entsendung einer afrikanischen Truppe in die Republik Zentralafrika, die auf 6000 Soldaten anwachsen soll.
Das Problem ist jedoch, dass Soldaten aus dem Tschad anfangs den größeren Teil des AU-Einsatzes stellten und den Krieg gegen Rebellen fortsetzen, die aus dem Tschad nach Zentralafrika geflohen sind. Französisches Militär musste solche Angriffe von tschadischen AU-Soldaten auf Flüchtlinge wiederholt beenden. Hinzu kommt, dass diese Flüchtlinge auch wegen der französischen Militäreinsätze im Tschad in den vergangenen Jahren ins benachbarte Zentralafrika geflohen sind – und somit Frankreich indirekt zum Chaos in Zentralafrika beigetragen hat, das Paris nun beenden will.
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