Den Fairtrade-Computer gibt es noch nicht

Der öffentliche Einkauf von Laptops, Handys und Smartphones soll sozial und ökologisch nachhaltiger werden. Das haben der Hightech-Branchenverband BITKOM und das Beschaffungsamt im Bundesinnenministerium vereinbart. Die gemeinsame Erklärung ist allerdings nicht mehr als ein Appell an die Industrie, sich dem Thema Nachhaltigkeit zu öffnen.

Von den rund 360 Milliarden Euro, für die Bund, Länder und Gemeinden jedes Jahr Waren und Dienstleistungen kaufen, entfallen etwa 2,4 Milliarden Euro jährlich auf IT-Hardware. Über 19 Milliarden Euro zahlt die öffentliche Hand insgesamt für Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Dienstleistungen. „Wir freuen uns über die Einigung, weil sie Sicherheit für die Vergabestellen und die Bieter schafft“, sagte  Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von BITKOM.

Es gibt zahlreiche problematische Aspekte entlang der IT-Produktkette: Beim Abbau von Rohstoffen wie Zinn, Gold, Coltan, Kupfer und Wolfram werden häufig Arbeitsrechte verletzt und die Umwelt verseucht. Die Fertigung findet in der Regel in den Niedriglohnländern Asiens und Osteuropas  statt; überlange Arbeitszeiten, unzureichender Gesundheitsschutz und gewerkschaftsfeindliche Arbeitgeber sind an der Tagesordnung. Am Ende des Produktzyklus ist das Recycling alter Geräte unzureichend, und trotz gesetzlicher Regelungen in vielen EU-Ländern landet viel Elektroschrott in Indien, Pakistan, China, Ghana oder Nigeria.

Doch wer beim Einkauf von Elektronik soziale Standards wie die Kernnormen der internationalen Arbeitsorganisation ILO beachten will, hat momentan keine echte Alternative, einmal abgesehen von der „fast fairen“ Computermaus. „Alle Markenhersteller kaufen über wenige zentrale Hauptzulieferer ein, bei denen Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen begangen werden“, sagt Annelie Evermann von der Organisation Weed.

Das einzige Zertifikat für ­IT-Produkte bleibt unerwähnt

Die neue Mustererklärung von BITKOM und Beschaffungsamt hilft da kaum weiter. Mit ihr können die öffentlichen Einkäufer von den Unternehmen entweder den Nachweis der Mitgliedschaft in einer internationalen Initiative wie der Business Social Compliance Initiative (BSCI) oder dem UN Global Compact eine anerkannte Zertifizierung der Produkte oder eine Eigenerklärung des Herstellers verlangen. Initiativen wie UN Global Compact und BSCI treten zwar für Arbeits- und Sozialstandards ein, sie bieten aber weder eine nachprüfbare Zertifizierung noch Kontrollen. Von den in der Mustererklärung  genannten Initiativen ist lediglich eine überhaupt im Bereich IT tätig. Nicht erwähnt wird dagegen das einzige für diese Produktgruppe bestehende Zertifikat TCO, das eine schwedische Organisation seit einem Jahr vergibt.

Autorin

Claudia Mende

ist freie Journalistin in München und ständige Korrespondentin von „welt-sichten“. www.claudia-mende.de

Bei einer Eigenerklärung versichern die  Anbieter von Computern oder Mobiltelefonen, dass sie bei der Herstellung weder Zwangs- noch Kinderarbeit zulassen und die Rechte von Arbeitnehmern einhalten. Gerade bei Elektronik ist die Lieferkette allerdings sehr komplex.  Kontrollieren kann eine solche Aussage daher derzeit niemand. Die Vereinbarung verlangt von den Unternehmen zudem nicht, dass sie ihre Lieferketten offenlegen.

Die Mustererklärung sei nur „ein erster Schritt“, sagt Sabine Metzger von der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung im Bundesinnenministerium. Der Bund wolle damit bei der Industrie eine Tür aufstoßen. In den nächsten Jahren solle ein Stufenplan schrittweise für mehr soziale Nachhaltigkeit im öffentlichen Einkauf von IT-Produkten sorgen. Knackpunkte sind ein besserer Einblick in die lange Lieferkette der Hightech-Geräte und die Möglichkeit, Aussagen von Herstellern zu überprüfen.

Mehrere europäische nichtstaatliche Organisationen arbeiten dazu unter Federführung der spanischen Organisation SETEM an dem Monitoring-System Electronics Watch, das der öffentlichen Hand in der Europäischen Union kontrollierte soziale und ökologische Alternativen im Bereich IT bieten soll. Electronics Watch will bis Mitte 2015 dazu 50 öffentliche Einkäufer aus ganz Europa gewinnen.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2013: Landrechte: Auf unsicherem Boden
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