Mit ihren Partnern vor Ort könnten sie Menschen erreichen, zu denen sonst kein Zugang möglich sei, erklärte Gauck vor mehreren hundert Gästen. Er betonte, Entwicklungsarbeit müsse gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort geleistet werden. Viele große Entwicklungspläne seien am „grünen Tisch ersonnen worden“, ohne dass die Bedürftigen beteiligt waren. Nie dürfe eine „Entwicklungsindustrie“ ihre eigenen Interessen über die der Partner setzen, erklärte Gauck. Auch unter den Missionaren seien viele „weiße Besserwisser“ gewesen. Gauck fügte hinzu, Entwicklungszusammenarbeit sei längst zu einer „Frage des persönlichen Lebensstils“ geworden. Gemeinsam mit den Partnern aus dem Süden müssten „Alternativen zu Lebensformen des maßlosen Überflusses“ erarbeitet werden. „Auch wir müssen uns entwickeln“, sagte das Staatsoberhaupt.
Niebel würdigt die Kirchen als Impulsgeber
Entwicklungsminister Dirk Niebel lobte die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen seinem Ministerium und den Kirchen. Die Kirchen seien „wichtige Impulsgeber“ und hätten beim fairen Handel und beim Abbau der Agrarsubventionen Trends gesetzt, betonte er. Zwar teile er nicht alle ihre Forderungen, freue sich aber weiter auf kritische und unbequeme Beiträge. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hatten zuvor in einem Gottesdienst dazu aufgerufen, Armut und Unrecht weltweit zu bekämpfen. Beim Festakt bekräftigten sie, die Armen müssten darin unterstützt werden, ihre eigenen Kräfte wahrzunehmen, zu schulen und einzusetzen.
Isabel Richardson von der indischen Organisation Madras Christian Council of Social Services (MCCSS) lieferte ein Beispiel dafür: In einem Slum von Chennai sei es den Bewohnern gelungen, den Bau einer Schnellstraße und damit verbundene Vertreibungen zu verhindern. „Die Menschen können gemeinsam viel bewirken, wenn wir ihnen helfen, ihre Macht zu entfalten.“ Der katholische Erzbischof von Nigeria, Ignatius Kaigama, berichtete von einem Ausbildungszentrum, in dem christliche und muslimische Jugendliche gemeinsam ein Handwerk, aber auch die Grundlagen der jeweils anderen Religion lernen. „Das ist der beste Weg, die Gewalt zwischen den Religionen zu überwinden“, betonte der Erzbischof.
Für die Zusammenarbeit mit dem Staat haben die beiden großen Kirchen 1962 die Evangelische und die Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe gegründet. In den vergangenen 50 Jahren flossen darüber knapp 6,2 Milliarden Euro aus dem Haushalt des Entwicklungsministeriums an die evangelische und die katholische Kirche für ihre Arbeit in Afrika, Asien und Lateinamerika. Insgesamt wurden damit knapp 19.400 Projekte gefördert. Im vergangenen Jahr lagen die Zuwendungen bei jeweils 108 Millionen Euro. Die Kirchen können ohne staatliche Vorgaben über das Geld verfügen, lediglich für Zwecke der Verkündigung dürfen sie es nicht verwenden. Ferner müssen sie bei jedem Projekt mindestens ein Viertel der Kosten aus eigenen Mitteln bestreiten.
Neuen Kommentar hinzufügen