Weniger Geld für die erfolgreichen Länder

Brüssel teilt die AKP-Länder neu ein und sorgt damit für Unmut
Im Dezember wollen die mit der Europäischen Union assoziierten Länder aus Afrika, der Karibik und der Pazifik-Region (AKP) eine Grundsatzdebatte über ihr Verhältnis zur EU starten. Die Unzufriedenheit der AKP-Länder mit der Entwicklungs- und der Handelspolitik Brüssels droht überzukochen, nachdem die Kommission angekündigt hatte, die Entwicklungshilfe nach einem neuen Schlüssel zu verteilen.

Laut dem Cotonou-Vertrag zwischen den 79 AKP-Ländern und der EU haben alle AKP-Länder in der Entwicklungszusammenarbeit mit Brüssel den gleichen Status. Das gilt im Prinzip auch für den Zugang zur Entwicklungshilfe der EU, vor allem aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF). Doch das soll sich nun ändern. Die „Agenda des Wandels“ für die Neuausrichtung der europäischen Entwicklungszusammenarbeit bis 2020 sortiert die Partnerländer nach dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen. Ihre Hilfen will die EU-Kommission in Zukunft auf die ärmsten Länder fokussieren.

Entwicklungskommissar Andris Piebalgs setzte den gemeinsamen AKP-EU-Ministerrat Ende Juni in Vanuatu davon in Kenntnis, dass dies ab dem kommenden Jahr auch auf die AKP-Länder zutreffen soll, einschließlich Verteilung der EEF-Mittel. Doch davon war weder in der „Agenda“-Vorlage der Kommission noch im Beschluss des Ministerrats die Rede gewesen. Dennoch geht es laut Piebalgs im Dialog zwischen der EU und den AKP-Ländern nur noch darum, wie diese Differenzierung zu vollziehen sei.

Die AKP-Länder wollen die Änderungen prüfen lassen

Das ließ den schon länger bestehenden Ärger der AKP-Diplomaten über die Selbstherrlichkeit der Kommission überkochen. Der Generalsekretär der Gruppe, Ibn Chambas aus Ghana, erklärte, man werde prüfen lassen, ob das mit dem Cotonou-Vertrag vereinbar sei. Denn 18 AKP-Länder würden damit von zinsfreien Zuschüssen aus Brüssel ausgeschlossen. Chambas wies darauf hin, die AKP-Länder, die nach dem neuen EU-Schema in die mittleren Einkommensklassen rutschen würden, hätten „lobenswerte wirtschaftliche Leistungen vollbracht und sollten auf ihrem Weg zu mehr stabilem und nachhaltigem Wachstum unterstützt werden – und nicht dafür bestraft werden, dass sie mit Disziplin, guter Regierungsführung und vorsichtiger Wirtschaftspolitik mehr Wachstum und Wohlfahrt erreicht haben“.

Der Unmut der AKP-Länder addiert sich zu dem akuten Ärger über das Ultimatum, mit dem die EU-Kommission auf den Abschluss von Freihandelsabkommen (EPA) noch vor Ende dieses Jahres drängt. Eine bei der Welthandelsorganisation angemeldete Übergangsregelung, die den Exporten der AKP-Länder Vorteile bei der Einfuhr in die EU einräumt, soll nur noch bis Ende 2013 gelten, hatte die Kommission vor einem Jahr verkündet. Damit würden für die Hälfte der AKP-Länder ab 2014 die allgemeinen EU-Zölle gelten; bestenfalls könnten sie noch Zollabschläge nach dem Allgemeinen Präferenzsystem (APS) für Entwicklungsländer beanspruchen.

Autor

Heimo Claasen

ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".

Allerdings differenziert die EU auch im APS seit einem Jahr nach dem Pro-Kopf-Einkommen der Länder. Die Folge: Gerade solche AKP-Länder wie Botsuana, Namibia, Ghana, Kenia sowie die karibischen und einige pazifischen Inselstaaten würden auch aus dem APS herausfallen, obwohl sie auf die Sonderbehandlung im Rahmen der EPAs durchaus verzichten könnten und teilweise, Ghana etwa, von den Konditionen des APS profitieren würden.

Benjamin William Mkapa, der frühere Präsident von Tansania, kritisierte die Verhandlungen über die EPAs scharf: Die Bedingungen der EU würden Afrikas Entwicklung und Industrialisierung erschweren: „Unsere lokalen und regionalen Märkte würden noch mehr für die EU geöffnet, als das jetzt schon der Fall ist. Wir würden unsere eigenen Industrien schädigen, ihr Wachstum ersticken und weiterhin nur Exporteure von Rohstoffen bleiben.“ Mkapa wirft der EU vor, die neue Klassifizierung der Länder Afrikas sowie die Neuausrichtung der europäischen Entwicklungspolitik und die mit den EPAs angestrebten Handelsregeln würden die AKP-Länder in genau diese Situation hineintreiben. Und das sei eine ganz andere Agenda als die von Entwicklungskommissar Piebalgs.

Die AKP-Länder überlegen mittlerweile, wie sie sich von der Hilfe aus Europa unabhängiger machen können. Mehrere Arbeitsgruppen bereiten dazu Szenarien vor, die beim AKP-Gipfeltreffen im Dezember in Äquatorial-Guinea vorgelegt werden sollen. Im Gespräch ist eine Freihandelszone, die alle AKP-Länder umfasst. Beim bevorstehenden Gipfeltreffen im Dezember solle es um nicht weniger als die Zukunft der AKP-Gruppe gehen, die sich in der globalen Arena neu positionieren müsse, kündigte Generalsekretär Chambas an. Denkbar sei, die Süd-Süd-Kooperation, gerade auch mit Schwellenländern, auszubauen, um eine Alternative zur traditionellen Nord-Süd-Partnerschaft zu schaffen.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2012: Spuren des Terrors
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