Evangelikale Medien wie das Pro-Magazin oder Idea gehörten zu den ersten, die über das Rechtsgutachten, die Fatwa, berichteten und eine Stellungnahme des saudischen Königshauses forderten. Drei Millionen Christen und 1300 Kirchen auf der arabischen Halbinsel seien bedroht, rechneten sie hoch. Säkulare Medien wie das Nachrichtenmagazin „Focus“ ließen nicht lange auf sich warten und machten die Fatwa aus Saudi-Arabien zum Thema. Und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, äußerte Besorgnis in Hinsicht auf den interreligiösen Dialog. Der Großmufti lasse „jeden Respekt für die Religionsfreiheit und das friedliche Zusammenleben der Religionen vermissen“, erklärte er. Von der Österreichischen Bischofskonferenz kamen ähnliche Worte. Schließlich meldete sich auch die Politik zu Wort. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich, Mitglied im Menschenrechtsausschuss des Parlaments, nannte die Forderung „aus menschenrechtlicher Sicht einen Skandal“.
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Auch von Muslimen kam harsche Kritik. Der Leiter der türkischen Religionsbehörde, Mehmet Görmez, verurteilte die Stellungnahme des Großmuftis. Sie verstoße gegen islamische Prinzipien. Muslimische Machthaber seien auch für das Wohlergehen von nicht-muslimischen Minderheiten verantwortlich. Und die Initiative liberaler Muslime Österreich schließlich erklärte, dass sie einen offiziellen Antrag in Saudi-Arabien stellen wolle, um dort eine Kirche bauen zu dürfen – als Zeichen der Religionsfreiheit.
Fatwas sind Empfehlungen, keine Gesetze
Nicht zum ersten Mal äußert sich ein Mufti zum Kirchenbau in islamischen Ländern. 2009 etwa wurde in Ägypten eine Fatwa veröffentlicht, in der der Kirchenbau als Sünde bezeichnet wird. Ein Muslim dürfe sich am Bau einer Kirche ebenso wenig beteiligen wie am Bau von Nachtclubs, Casinos oder Schweinefarmen. Der ägyptische Großmufti Scheich Ali Gomaa musste sich daraufhin entschuldigen und betonte, dass er diese Fatwa nicht ratifiziert habe. Dies deutet auf ein grundsätzliches Problem hin: Fatwas sind lediglich Gutachten und können von jedem islamischen Rechtsgelehrten zu jeder beliebigen Frage erstellt werden. Sie haben keinen allgemeinen Gesetzescharakter, sondern stellen vielmehr eine Empfehlung dar.
Trotzdem wird eine Fatwa wie die des Großmuftis in bestimmten Bevölkerungskreisen ihre Wirkung wohl nicht verfehlen. Insofern stellt sie eine gewisse Gefahr für die Christen vor Ort dar. Das Gutachten steht aber auch im Widerspruch zu verschiedenen Initiativen des Dialogs auf der arabischen Halbinsel und zu den jüngsten Anstrengungen des saudischen Königs Abdullah. Dieser hatte 2011 die Gründung des interreligiösen Dialogzentrums in Wien initiiert und 2008 zum Kongress zur Förderung des interreligiösen Dialogs in der spanischen Hauptstadt Madrid eingeladen.
Der für Südarabien zuständige katholische Bischof Paul Hinder bemüht sich um Ausgleich. Interessanterweise hätten die arabischen Medien im Gegensatz zu den deutschsprachigen die Fatwa zum Kirchenbau „mehr oder weniger ignoriert“, sagte er der katholischen Nachrichtenagentur KNA. Man solle in dieser Frage „nicht Öl ins Feuer gießen“.
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