Neue Ziele brauchen neue Verbündete

Der US-amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs hat in Berlin das von ihm geleitete Sustainable Development Solutions Network (SDSN) der Vereinten Nationen vorgestellt. Es will jenseits der Millenniumsziele weltweit neue Technologien und Allianzen mobilisieren, um mehr Erfolge bei der Verbesserung von Gesundheit, Landwirtschaft, Erziehung, Energieversorgung und Regierungsführung zu erzielen.

„Es fehlt eine übergreifende Vision, die das Streben nach Wohlstand und Entwicklung, den Abbau sozialer Ungleichheiten und einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt vereint“, sagte Sachs vor einem Treffen mit Experten aus Politik, Wissenschaft und NGOs Mitte März in Berlin. Sachs würdigte die großen Fortschritte, die die Welt im Kampf gegen die Armut erreicht habe. Extreme Armut sei jedoch weiter sehr stark verbreitet und müsse auch nach 2015 im Fokus bleiben. Die Ungleichheit sei in mehr Gesellschafen eher gewachsen als geschrumpft, so der UN-Berater, und die Umweltziele würden global komplett verfehlt.

Beratung für das "High Level Panel" der UN

Das Netzwerk, das unter der Schirmherrschaft von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon im August 2012 gegründet wurde, soll vor allem praktische Lösungsansätze für eine nachhaltige Entwicklung formulieren. Zentrale Frage ist dabei, wie die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) sinnvoll mit den auf der Rio+20-Konferenz vereinbarten Sustainable Development Goals (SDGs) für Umwelt, Klima und Welternährung kombiniert werden können. Um Einfluss auf den zwischenstaatlichen Prozess der globalen politischen Post-2015-Agenda zu nehmen, berät das Netzwerk auch das dafür etablierte „High Level Panel“ der UN, dem auch Ex-Bundespräsident Horst Köhler angehört.

Schon 2005 stand der renommierte US-Ökonom und ehemalige Harvard-Professor Sachs dem damaligen UN-Generalsekretär als Berater und Direktor des Millenniumsprojekts zur Seite. In dem Jahr hatten die Vereinten Nationen auf dem Millenniumsgipfel in New York erstmals ehrgeizige Ziele für die Entwicklungspolitik formuliert. Das Ziel, die Armut bis 2015 zu halbieren, ist am weitesten fortgeschritten, andere Ziele, wie die Reduzierung der Müttersterblichkeit, hinken hinterher. Auch die Selbstverpflichtung der Industriestaaten, bis 2015 ihre Entwicklungsausgaben auf einen Anteil von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern, wird  von vielen Staaten verfehlt – darunter Deutschland.

Jeffrey Sachs lobt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit

Dennoch lobte Jeffrey Sachs die Richtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, als „eine, wie wir sie künftig hoffentlich verfechten wollen“. Vor allem der Beitrag der Bundesregierung zur Gesundheitspolitik und insbesondere dem Globalen Fonds gegen Aids, Malaria und Tuberkulose (GFATM) sollte andere Staaten inspirieren, betonte Sachs. Entwicklungsminister Dirk Niebel sagte dem SDSN eine finanzielle Unterstützung von 1,5 Millionen US-Dollar für drei Jahre zu. „Die globalen Herausforderungen sind komplex. Entwicklung und Nachhaltigkeit, die Zukunft der Menschheit und des Planeten, sind zwei Seiten der gleichen Medaille“, betonte Niebel. 

Glaubt man Sachs, so entwickelt sich das Netzwerk zu einem globalen Sammelbecken von Wissenschaft, Wirtschaft, Regierungen und nichtstaatlichen Organisationen (NGO). Um ihre Positionen einzubringen, drängten sie alle in das Netzwerk, das demnächst in Nairobi, Dakar, Stockholm, Abuja und im Juli in China an den Start geht. „Wir verhandeln keinen Konsens, wir wollen Wissen einsetzen und Lösungen ableiten“, sagt der Ökonom, „wir brauchen praktische verhaltensorientierte Herangehensweisen.“

Wenn die Politik keine Lösungen hat, muss das Netzwerk übernehmen

Nicht einmal in den USA gebe es politische Szenarien, wo die Welt 2050 stehen müsse. Das sei gefährlich. Wenn die Politik keine Lösungen entwickle, müsse es das Netzwerk übernehmen. So sollen hunderte Universitäten, Denkfabriken und Institute, darunter das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE), „aktive Problemlöser in ihrem lokalen und nationalen Umfeld“ werden.

DIE-Chef Dirk Messner unterstrich, zu nachhaltigen Lösungen gehörten auch neuartige Allianzen. „Traditionelle Rollenverteilungen zwischen Staat und Wirtschaft, zwischen Nord und Süd oder zwischen Wissenschaft und Praxis müssen durch innovative Netzwerke von handlungswilligen und handlungsfähigen Akteuren verändert werden“, forderte er. Ein neues Bündnis tat sich schon in Berlin auf: Die Internationale Handelskammer (ICC) will sich aktiv in die Debatte einbringen. „Die Führung der Wirtschaft ist entscheidend“, sagt Sachs. Wenn sie sich zu nachhaltiger Entwicklung verpflichte, sei dies vielleicht der wichtigste Impuls, die Richtung zu ändern.

Marina Zapf

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