Flickenteppich EU-Entwicklungspolitik

In sanften Worten rügt der Entwicklungsausschuss (DAC) der OECD in einem Gutachten die EU-Kommission, sie kümmere sich nicht genug um die seit über zwei Jahrzehnten empfohlene Reform der europäischen Entwicklungspolitik. Doch die meisten Tadel gehen eigentlich an die Regierungen der EU-Länder.
Seit dem letzten DAC-Gutachten (Peer Review) vor fünf Jahren habe die EU zwar „große Schritte“ unternommen, ihre Entwicklungszusammenarbeit wirksamer zu gestalten. Doch zwischen Brüssel und den EU-Mitgliedstaaten, zwischen den Staaten sowie zwischen den EU-Instanzen mangele es weiter an einem gemeinsamen entwicklungspolitischen Ansatz, heißt es in dem neuen Gutachten, das die OECD Ende April im EU-Parlament vorstellte.
 

Autor

Heimo Claasen

ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".

Der Bericht beklagt zudem den weiterhin bestehenden Mangel an Kohärenz zwischen den entwicklungspolitischen Zielen der EU und der Politik in Bereichen wie Landwirtschaft, Fischerei, Handel und Migration. Zugleich erkennt das Gutachten an, dass „Inkonsistenzen in mehreren wichtigen Politikbereichen“ angegangen worden seien. Ausdrücklich erwähnt wird dazu die Handelspolitik, was in entwicklungspolitischen Netzwerken Erstaunen hervorgerufen hat: Dort sieht man angesichts des zunehmenden Ausmaßes von „Aid for Trade“, also Hilfe für den Handel, eher den Trend, dass die Entwicklungszusammenarbeit auf die Handelspolitik abgestimmt wird.

Ausführlich befasst sich der DAC-Bericht mit dem von der EU-Kommission und dem Ministerrat gemeinsam betriebenen Dienst für auswärtiges Handeln, in dem die Entwicklungsabteilung der Kommission aufgegangen ist. Zwar habe das viel Doppelarbeit in den Beziehungen zu anderen Ländern beseitigt, aber viele administrative Probleme seien nun in die Delegationen vor Ort verschoben worden. Vor allem bei der humanitären Hilfe, die vom Brüsseler Kommissionsdienst EuropAid über den Auswärtigen Dienst und die örtlichen Vertretungen abgewickelt wird, seien die Entscheidungswege noch viel zu unklar definiert mit der Folge, dass Hilfe oft zu langsam fließe und wenig wirksam sei, heißt es in dem DAC-Bericht.

Die OECD kritisiert Brüsseler „Mikromanagement“

Die EU-Delegationen in den Entwicklungsländern hätten kaum Einfluss auf die Zuweisung von Haushaltsmitteln für bestimmte Aufgaben oder in bestimmte Regionen. Die Zentralisierung in Brüssel und die intensive Kontrolle durch das Parlament und den Ministerrat führe zu „Mikromanagement“ und behindere die effiziente Verwirklichung vor Ort. Die OECD empfiehlt stattdessen, mehr auf ergebnisorientierte Ansätze zu setzen, ohne die Umsetzung im Detail von Brüssel aus zu steuern.

Allerdings ist die – immer noch schwache – Aufsicht von Parlament und Ministerrat das wichtigste Mittel zur demokratischen Kontrolle der EU-Entwicklungszusammenarbeit. Die von der OECD beklagte Umständlichkeit der Verfahren, die laut OECD „auch die Partner stark belastet“, hat ihre Wurzeln in der lange Zeit hinter verschlossenen Kommissionstüren betriebenen Politikplanung. In sehr kleinen Schritten hat sich da das Parlament ein wenig mehr Zugang eröffnen können.

Die OECD befürwortet eine „starke und gemeinsame Führung“ der europäischen Entwicklungszusammenarbeit. Die Kommission solle zudem weiter eine „führende Rolle“ in der Koordination der Entwicklungszusammenarbeit der EU-Mitgliedsländer anstreben. Auch beim Netzwerk entwicklungspolitischer Organisationen Concord hält man die Koordinierung der EU-Entwicklungszusammenarbeit für eine der wichtigsten Aufgaben. Ein Sprecher äußerte sich aber skeptisch zu den Erfolgsaussichten: Schon der Auswärtige Dienst sei damit gescheitert, die Entwicklungspolitik sinnvoll in seine Arbeit einzubinden.

Zudem würde eine bessere Koordination nichts an der von nichtstaatlichen Organisationen kritisierten inhaltlichen Ausrichtung der EU-Entwicklungszusammenarbeit und dem Mangel an Kohärenz ändern. Das kirchliche Netzwerk APRODEV moniert denn auch, der DAC-Bericht fordere zwar an vielen Stellen mehr Kohärenz, sage aber nichts zur inhaltlichen Ausrichtung der EU-Politik. Das aber wäre nötig, mache sich die EU doch dazu auf, ihre Politik zu Landwirtschaft, Handel und Energie neu zu bestimmen.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2012: Holz: Sägen am eigenen Ast
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