Die französische Regisseurin Mati Diop beobachtet in ihrem ambitionierten Dokumentarfilmessay, wie 26 geraubte Kunstwerke des ehemaligen Königreichs Dahomey aus Frankreich ins heutige Benin zurückgebracht werden. Dabei greift Diop zu außergewöhnlichen poetischen Erzählformen.
Im November 2021 wurden im Musée du Quai Branly in Paris 26 wertvolle Kunstschätze des einstigen westafrikanischen Königreichs Dahomey in Kisten verpackt, um per Flugzeug die Heimreise in das heutige Benin anzutreten. Französische Kolonialtruppen hatten im Jahr 1892 die 26 Holzstatuen von Dahomey zusammen mit Tausenden anderen Gegenständen geraubt und nach Paris gebracht. In Benins Hauptstadt Cotonou werden sie nun sehnsüchtig erwartet, ihre Ankunft wird groß gefeiert.
Mit der Restitution genannten Rückgabe setzt Frankreich eine Ankündigung von Präsident Emmanuel Macron aus dem Jahr 2017 um, afrikanisches Kulturgut zurückzugeben. Die Stationen der Rückgabe hält die 1982 in Paris geborene Filmemacherin Mati Diop in ruhigen Bildfolgen fest. Doch schon früh schiebt sie eine Holzfigur ins Zentrum: die Statue des Königs Ghezo, die Nummer 26 der Lieferung. Diop stattet Ghezo mit einem Eigenleben, mit Erinnerungen und Träumen aus. So beklagt Ghezo aus dem Off mit einer elektronisch verfremdeten Stimme in der Dahomey-Sprache Fon die Entführung aus seinem Heimatland vor rund 130 Jahren: „Wir tragen alle dieselben Narben. Wir sind entwurzelt, herausgerissen, Beute gewalttätiger Plünderungen.“
Poetische Monologe zu einer schwarzen Leinwand
Begleitet von experimentellen Musikklängen äußert die Königsfigur später ihre Sorgen vor der Rückkehr in ein fremd gewordenes Land: „Ich bin hin- und hergerissen zwischen der Angst, von niemandem wiedererkannt zu werden und selbst nichts wiederzuerkennen.“ Die poetischen Monologe, die gelegentlich ins pathetische Raunen ausufern, stammen von dem haitianischen Schriftsteller Makenzy Orcel. Wir hören sie oft zu einer schwarzen Leinwand, etwa wenn Ghezo aus der Transportkiste oder nachts im beninischen Präsidentenpalast spricht.
Der nur 67 Minuten lange Film gliedert sich in zwei Teile. Nach etwa zwei Dritteln rückt die Regisseurin – eine Nichte des bekannten senegalesischen Filmemachers und Schauspielers Djibril Diop Mambéty – eine öffentliche Diskussion an der Universität Abomey-Calavi über die Rückgabe der Figuren und Fragen des Postkolonialismus ins Bild, die sie selbst initiiert hat. Erfreulicherweise bringt diese Debatte frischen Schwung in die allzu bedächtige Protokollierung der Rückgabe.
Über die Spätfolgen des Kolonialismus nachdenken
Im Plenum machen einige Studierende ihrem Ärger Luft. So sei es eine „brutale Beleidigung“, dass Frankreich nur 26 von 7000 geraubten Gegenständen zurückgibt. Ein Student meint: „Macron hat es nur getan, um sein Image zu stärken.“ Eine Filmemacherin mahnt, der beninische Präsident Patrice Talon müsse einen Plan entwickeln, auch die übrigen geraubten Artefakte zurückzuholen. Andere Teilnehmende beklagen, dass Fon, Nago und andere einheimische Sprachen „kein Bestandteil unseres Bildungssystems“ seien.
Leider unterlässt es der Film, der auf Off-Kommentare und Erklärungen verzichtet, tiefere Erkenntnisse über die Geschichte der Artefakte und ihre kulturelle Bedeutung für die heutige Bevölkerung Benins zu liefern. Zudem bleibt die fragwürdige Rolle des Königs Ghezo, der gleichsam heroisiert wird, weitgehend außen vor – er propagierte in seiner Regierungszeit von 1818 bis 1858 den Sklavenhandel. Nur durch eine beiläufige Bemerkung eines Kurators erfährt man im Film, dass die Könige Dahomeys unterworfene Völker versklavt haben. Angesichts der kontroversen Diskussion über die Rückgabe von Benin-Bronzen aus Deutschland an Nigeria im Jahr 2022 gibt der Film gleichwohl substanzielle Anstöße, über die Spätfolgen des Kolonialismus nachzudenken, und macht klar: Es gibt da noch viel zu tun.
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