Geschichte einer Öko-Ikone

Vandana Shiva: Ein Leben für die Erde. USA/Australien 2021. Regie: James Becket, Camilla Denton Becket, 81 Minuten. Kinostart: 1. Dezember 2022

Wie konnte aus der indischen Atomphysikerin Vandana Shiva die mächtige Widersacherin global operierender Agrarkonzerne wie Monsanto werden? James und Camilla Becket rekapitulieren in ihrer biografischen Dokumentation wichtige Stationen im Leben der weltbekannten Ikone der ökologischen Bewegung.

Der Dokumentarfilm beginnt mit Vandana Shivas Rede bei der Verleihung des Sydney-Friedenspreises 2010. In kraftvollen Worten erklärt sie, dass die industrielle Landwirtschaft Erde und Gesellschaft bedroht. Eine kurze Bildmontage zeigt dann ihr quirliges Leben zwischen Konferenzen und ihrer Farm, im Flugzeug und auf Demonstrationen. Und viele Bitten von Fans um Selfies mit ihr zeigen: Shiva ist zu einer Art Rockstar der Umweltaktivisten geworden. 

Die Filmautoren James und Camilla Becket schildern den außergewöhnlichen Lebensweg der Wissenschaftlerin, Philosophin, Feministin und Globalisierungskritikerin in chronologischer Reihenfolge, wobei wichtige Ereignisse in ihrem Leben und der Zeitgeschichte jeweils neue Kapitel einleiten. Dazu zählt der Right Livelihood Award – auch alternativer Nobelpreis genannt –, den sie 1993 dafür erhielt, dass sie die  gesellschaftliche Stellung der Frau und die Ökologie in die Debatte über eine moderne Entwicklungspolitik eingebracht hat. 

Mit Hilfe alter Schwarzweiß-Fotos und -Filmausschnitte beschreibt der Film Shivas frühe Prägung durch den Vater, einen engagierten Forstbeamten aus einer wohlhabenden Brahmanenfamilie. Als Kind begleitete sie ihn auf seinen tagelangen Patrouillen durch die Himalaya-Wälder. Das Regie-Duo lässt Shiva immer wieder selbst zu Wort kommen, etwa wenn sie von ihrer frühen Begeisterung für Physik und Albert Einstein erzählt und ihrer späteren wissenschaftlichen Tätigkeit an einem Atomforschungsreaktor. Als ihr durch ein Gespräch mit ihrer Schwester Mira Shiva, einer Ärztin, klar wird, dass sie in der Ausbildung nichts über die schädlichen Wirkungen der radioaktiven Strahlung erfahren hat, beginnt sie im kanadischen Ontario ein Studium der Quantentheorie und promoviert 1978 dort. 

Von Erfolgen im Himalaya zum Öko-Feminismus

Zurück in ihrer Heimat stößt sie zur sogenannten Chipko-Bewegung, mit der vor allem Frauen gewaltfrei gegen die flächendeckende Abholzung von Wäldern und damit ihrer Lebensgrundlage protestieren: Sie umarmen die Baumstämme oder ketten sich an sie. „Die Chipko-Frauen konnten kein Englisch, also wurde ich zum Sprachrohr der Bewegung“, berichtet Shiva im Film. Angesichts gewaltiger Erdrutsche lenkte die indische Regierung schließlich 1981 ein und stellte den Holzeinschlag in den Höhen des Himalaya unter Strafe. 

Mit der Chipko-Bewegung startete die steile Karriere Shivas in Sachen Umwelt- und Naturschutz, die im Film von einigen Mitstreitern, aber auch von Widersachern kommentiert wird. 1982 gründete sie in ihrer Heimatstadt Dehradun das Forschungsinstitut Research Foundation for Science, Technology and Ecology (RFSTE). Zwei Jahre später folgte Navdanya („neun Samen“), die Bewegung zur Verteidigung der biologischen Vielfalt. Navdanya errichtete zunächst 40 Saatgutbibliotheken und bildete Kleinbauern fort, die wieder lernen sollten, traditionelles Saatgut statt gentechnisch veränderter Samen zu verwenden. 

Im Film erfahren wir von Shiva später, dass es in Indien inzwischen 127 Saatgutbanken gibt. Die Autoren beschreiben ausführlich weitere Stationen von Shivas Öko-Einsatz und beleuchten daneben emanzipatorisches Engagement. So zog Shiva in den 1980er Jahren vor den Obersten Gerichtshof und erreichte, dass sie als erste Frau in Indien nach einer Trennung vom Mann das Sorgerecht für ihr Kind erhielt. Und 1989 gab ihr Buch „Das Geschlecht des Lebens“, das die Zusammenhänge zwischen Umweltzerstörung und patriarchalischer Ordnung analysierte, den Startschuss für ihren Öko-Feminismus. Alles in allem ein sehenswertes, facettenreiches Porträt, das bei allem Respekt für die Leistungen der Protagonistin keineswegs ins Glorifizieren verfällt.                              

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