Liebe Leserinnen und Leser,
der Sturz von Bashar al-Assad hat in Syrien große Hoffnungen ausgelöst. Aber den Alltag prägt nun eine drückende Wirtschaftskrise, für die auch die Sanktionen gegen das Land verantwortlich gemacht werden, hat Markus Schauta in Damaskus erfahren. Eine Galeristin fürchtet islamistische Gängelei, andere sehen nach dem Massaker in Latakia die Gefahr, dass der bisher erstaunlich friedliche Übergang entgleist. Aber der neue starke Mann, Ahmad al-Sharaa, hört immerhin allen Seiten wirklich zu, sagt ein christlicher Ordensmann, der ihn gesprochen hat. Die Syrer haben noch die seltene Chance, gemeinsam ein neues Land aufzubauen; Europa sollte sie dabei unterstützen.
Spannende Lektüre wünscht
Koalitionsverträge soll man nicht überbewerten. Der, den SPD und CDU gerade vorgestellt haben, enthält viele vage Absichtserklärungen, über deren Umsetzung und Ausgestaltung später gerungen wird. Das ist normales Regierungsgeschäft. Es gibt klare Ansagen, etwa zur Entwicklungspolitik: Das Ministerium soll bleiben und Zuständigkeiten anderer Ressorts erhalten; das ist gut. Ganz schlecht ist dagegen, dass Entwicklungszusammenarbeit noch stärker als bisher eingesetzt werden soll, um Zugang zu Rohstoffen zu sichern und Migration zu „steuern“, sprich: fernzuhalten. Manches Licht und viel Schatten auch bei anderen Themen wie Verkehr und Klimaschutz. Da gibt es Formelkompromisse, die offenbare Widersprüche übertünchen; zum Beispiel will die künftige Regierung den CO2-Preis wie geplant steigern und die Klimaziele einhalten, aber gleichzeitig für billiges Erdgas sorgen. Offenbar haben SPD und CDU das Ausmaß der sich verschärfenden Klimakrisen nicht begriffen. Überhaupt, und das ist das größte Problem, spiegelt das Papier nicht, wie sehr die Welt sich gerade ändert. Die transatlantische Partnerschaft wird beschworen, als würde sie nicht von Donald Trump und J.D. Vance demontiert. Die Wirtschaft soll belebt und „wettbewerbsfähiger“ gemacht werden, als könnte Deutschland trotz Zollschranken wieder als Exportweltmeister prosperieren. SPD und CDU und auch die deutschen Wirtschaftskapitäne ignorieren entweder, dass dieses ohnehin unkluge Geschäftsmodell seine äußeren Grundlagen verloren hat, oder sie haben einfach keine andere Idee. Außer bei Militär und Aufrüstung erweckt der Koalitionsvertrag den Eindruck, die kommende Bundesregierung wolle mit überkommenen, etwas angepassten Rezepten weiterwursteln. Das wird nicht mehr helfen.
Auch Wien spürt den Ausfall: Der Kahlschlag in der US-Entwicklungshilfe bringt Probleme für die Arbeit österreichischer Hilfsorganisationen. Ob die Regierung in Wien nun mehr tut, ist offen, berichtet Milena Österreicher.
Ökologische Aggression: Viele Regierungen scheuen Klimaschutz da, wo er einflussreiche Gruppen etwas kostet. Die neue US-Regierung ist aber die erste, die Schutzmaßnahmen schleifen und andere Länder zwingen will, ihr dabei zu folgen, kommentiere ich.
Zögerlich: Die Schweiz könnte Brücken zur BRICS-Staatengruppe bauen. Wie sie ihr begegnen soll, erwägt der neue Außenpolitische Bericht der Regierung. Die Antwort bleibt vage, berichtet Samanta Siegfried.
Schwerer Stand: Der deutschen Friedensbewegung fehlt Nachwuchs und sie gibt zuweilen kein überzeugendes Bild ab. Doch ihre Engagierten erinnern an die Gefahren einer Militarisierung und suchen nach besseren Friedenskonzepten, schreiben Melanie Kräuter und ich im Schwerpunkt des neuen Heftes.
Wer, was, wo? Katharina Thote vertritt seit Ende Februar den UN-Flüchtlingskommissar in Deutschland, und die Ernennung einer UNICEF-Vizepräsidentin erntet scharfe Kritik; unsere Personalmeldungen im April.
Für besseren Protektionismus: US-Präsident Donald Trump pfeift mit der Zollpolitik auf globale Handelsregeln. Die beste Reaktion Europas wäre eine ganz andere Abkehr vom Freihandel: US-Firmen in Europa einseitig besteuern, sagt der Ökonom Gabriel Zucman.
Hauptsache Geld fürs Militär? Friedensförderung und zivile Krisenprävention führen seit der Zeitenwende ein Schattendasein in der öffentlichen Wahrnehmung. Wie ist beides bisher aufgestellt, wo sind ihre Schwachstellen? Elisa Rheinheimer hat nachgeforscht.
Entwicklung ohne Weltmarkt? Vor der Frage stehen Länder wie Vietnam und Lesotho, wenn die USA die verkündeten Zölle in Kraft setzen. Welche Probleme solche Länder bekommen, wenn die Weltwirtschaft in getrennte Räume zerfällt, habe ich vor gut drei Jahren den Leiter des World Institute for Development Economics Research gefragt. Seine Einschätzungen sind gerade jetzt aktuell.
Künstliche Intelligenz für Afrika: Bei einem Gipfeltreffen in Ruanda ging es um die Frage, wie KI-Anwendungen auf dem Kontinent etwa im Bereich Gesundheit vorangebracht werden können. Forscher und Anwender hoffen auf höhere Fördergelder, während Skepsis zum KI-Hype auf dem Gipfel wohl eher unterbelichtet blieb, berichtet „Devex“.
Bedrohte Warnsysteme: Die Datengrundlage für Prävention von und Umgang mit Hunger, Extremwetter oder krisenbedingter Migration droht mit den Kürzungen bei USAID komplett wegzubrechen, berichtet "The New Humanitarian".
Wankelmut? In der US-Regierung scheint Chaos zu herrschen. Was dahintersteckt? Zwei Fraktionen des Big Business mit total gegensätzlichen Plänen, schreibt der britische "Guardian" in einem super Kommentar.
Wozu braucht man das? Die Entwicklungspolitik Deutschlands wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Eine nützliche Textsammlung präsentiert unterschiedliche Ansichten von Fachleuten zu der Debatte; ich stelle sie vor.
Einbruch hier, Chance da: Wie sich hohe US-Zölle auf Entwicklungsländer auswirken würden, nehmen zwei Fachleute vom britischen ODI Global nach Ländern und Produktgruppen unter die Lupe. Ergebnis: Süd- und Südostasien verlieren stark, Afrika könnte auf deren Kosten ein bisschen gewinnen.