Liebe Leserinnen und Leser,
in Brasilien ist der Einfluss evangelikaler Kirchen auf Politik und Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen, mittlerweile paktieren viele von ihnen offen mit rechtsextremen Politikern um den Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro. Wie es dazu gekommen ist, inwiefern die USA dabei schon in den 1970er-Jahren ihre Finger im Spiel hatten und warum Pastoren gleichzeitig Medienmogule mit ausgezeichneten Verbindungen zu Donald Trump sind, erklärt Frederico Füllgraf in seinem Beitrag. Die Regierung der Arbeiterpartei von Präsident Lula da Silva sucht nun nach einem Rezept gegen diese unheilvolle Allianz.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre.
Was weg ist, ist weg. Leider lassen sich so die Folgen des Artensterbens auf den Punkt bringen - und aktuell sind eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Das zu verhindern und Ökosysteme zu schützen, darum geht es noch bis 1. November bei der UN-Biodiversitätskonferenz in der kolumbianischen Stadt Cali. Vor zwei Jahren hatte sich die Weltgemeinschaft in Montreal auf ein Abkommen geeinigt, das vorsieht, bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Passiert ist seitdem nicht viel. In Kolumbien wird es vor allem um die Finanzierung all der hehren Versprechen gehen. Auch wenn es manchen egal sein mag, wenn irgendwo am anderen Ende der Welt eine Käferart ausstirbt, so muss man die Klimakrise und die Biodiversitätskrise zusammen betrachten. Denn die Ökosysteme der Erde, mit all ihrer biologischen und genetischen Vielfalt, sorgen dafür, dass manche Folgen des Klimawandels abgepuffert werden können und sich bestimmte Arten besser daran anpassen. Hoffnung sollte machen, dass gezielte Naturschutzmaßnahmen oftmals sehr erfolgreich sein können.
Bei Migration sind die Ministerinnen nicht einig: Deutschland schließt immer mehr Migrationsabkommen, um Flüchtlinge und Migranten abzuschieben und ausländische Fachkräfte anzuwerben. Das BMZ flankiert das – aber mit anderem Fokus, berichtet Marina Zapf.
Abkehr von den eigenen Werten: Die Ampelregierung zerlegt sich mal wieder selbst – diesmal beim Thema Lieferkettengesetz. Mit diesem Hickhack stößt sie ihre eigene Basis vor den Kopf und lässt manche Unternehmen und vor allem Arbeiterinnen im globalen Süden im Stich, kommentiere ich.
Die Deza kehrt nach Afghanistan zurück: Die Schweizer Entwicklungsagentur Deza eröffnet in Kabul ein Büro für humanitäre Hilfe. Mit den Taliban werde es „keine Deals“ geben, aber man müsse sich mit ihnen arrangieren, heißt es. Meret Michel berichtet über das Vorhaben.
„Die Regierung hat nichts in den Schlafzimmern der Menschen verloren“: Der nigerianische Autor Jude Dibia fordert seine Leser heraus, Vorurteile über queere Menschen infrage zu stellen. Er motiviert damit auch jüngere queere Autoren, ihre Geschichten zu erzählen und für Gleichberechtigung zu kämpfen, erklärt er im Interview.
Beschämende Verrohung: In der Debatte um deutsche Waffen für Israel kommt das Leid der Bevölkerung in Gaza und im Libanon nicht vor, kritisiert mein Kollege Tillmann Elliesen.
Informieren, unterhalten, weiterbilden: Wie Journalistinnen und Journalisten in der Demokratischen Republik Kongo trotz aller Widrigkeiten berichten und damit Leben retten, berichtet "The New Humanitarian".
Russland baut seinen Einfluss im Sahel aus? Ja, schreibt Will Brown vom "European Council on Foreign Relations". Moskau und seine Söldner haben Putsche dort gefördert – aber sie sind nun überlastet und keineswegs der verlässliche Kriegspartner, den Mali, Niger und Burkina Faso wollen.
Webinartipp: Man darf nicht darauf vertrauen, dass Privatfirmen den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien vorantreiben, behautet der Humangeograph Brett Christophers in seinem neuen Buch. Warum, erklärt er stringent und kenntnisreich in einem Webinar, das auf Youtube nachzuhören ist: Es nütze nichts, dass erneuerbare Energie immer preisgünstiger wird, denn für Firmen zählt der Gewinn – der sei bei Investitionen in Fossile höher und verlässlicher. Nebenbei liefert er eine tolle Einführung in Grundzüge des Energiesystems und in die Debatten, wie man es transformiert. Trotz der schlechten Tonqualität sehr empfehlenswert.
Klarer Fall von grünem Kolonialismus: Große Firmen lassen Bäume pflanzen, die CO2 binden und so ihre Emissionen ausgleichen sollen. Eine Studie, die sich Bernd Ludermann angeschaut hat, zeigt, dass dies mit einer neuen Welle von Landaneignungen einhergeht, vor allem in Afrika.
Hört auf zu belehren: Zwei Fachleute prangern in der Zeitschrift "Internationale Politik" deutsche Selbstgerechtigkeit im Umgang mit Staaten des Südens an. Ihr kluger Rat: weniger Moralpose, mehr flexible Bündnisse und auf Friedensstiftung dort konzentrieren, wo man Einfluss hat.
Ein Wirtschafts-Nobelpreis für neokoloniale Vorurteile: Die Verbreitung europäischer Institutionen, besonders Privateigentum, erkläre, wo Entwicklung gelingt, so die diesjährigen Preisträger. Sanjay Reddy nimmt ihre Thesen klug und gnadenlos auseinander.
Eine Woche zu fairen Finanzen: Eine Woche lang, vom 4. bis zum 8. November, findet im Haus am Dom in Frankfurt sowie virtuell die "Fair Finance Week" statt. Zur Frage "Kostet die Transformation wirklich unseren Wohlstand - oder rettet sie ihn?" bringt die elfte faire Finanzwoche erneut Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Finanzwirtschaft zusammen, um Impulse für Nachhaltigkeit zu setzen. Jeden Tag gibt es Podiumsdiskussionen, an denen man entweder persönlich oder virtuell teilnehmen kann. Alle Infos zum Programm gibt es hier.