Koblenz, Berlin - Die im Bundesarchiv aufbewahrten Akten des einstigen Reichskolonialamtes sollen mit Hilfe Künstlicher Intelligenz nach Hinweisen auf deutsche Kolonialverbrechen durchsucht werden. Wie die Behörde am Freitag bekanntgab, haben EDV-Fachleute eine Anwendung entwickelt, die alte Handschriften auswerten kann, darunter auch Dokumente in Sütterlin-Schrift.
Der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, erklärte zum Start des Projekts, Künstliche Intelligenz könne dabei helfen, Wissen besser zugänglich zu machen. „Damit tragen wir zur dringend notwendigen Aufarbeitung der gewaltvollen deutschen Kolonialgeschichte bei“, sagte er. Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) würdigte die Initiative als Beitrag, einen blinden Fleck in der deutschen Erinnerungskultur zu beleuchten.
Der Aktenbestand zum Reichskolonialamt ist mittlerweile komplett digitalisiert und frei zugänglich. Die neu entwickelte Anwendung soll nach Ablauf einer Pilotphase in den sogenannten Digitalen Lesesaal des Bundesarchivs integriert werden, der allen Interessierten Einsicht in die Bestände des Archivs bietet.
Das Deutsche Reich hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Territorien in Afrika und in der Pazifikregion angeeignet. Versuche der örtlichen Bevölkerung in den deutschen Überseegebieten, sich gegen die Fremdherrschaft aufzulehnen, wurden mehrfach mit großer Brutalität niedergeschlagen - etwa beim Maji-Maji-Aufstand im heutigen Tansania (dem einstigen Deutsch-Ostafrika) oder beim Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia (Deutsch-Südwestafrika). Das deutsche Kolonialreich fand sein Ende mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg.