Frankfurt a.M./Den Haag - Vor dem Hintergrund anhaltender Vorwürfe des Völkermordes an den Rohingya in Myanmar sind von Montag an neue Anhörungen vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag angesetzt. Demnach stellt Myanmar die Zuständigkeit des IGH infrage, über Beschuldigungen des Massenmordes an der muslimischen Minderheit zu befinden. Im Januar 2020 hatte das höchste UN-Gericht auf Antrag Gambias verfügt, dass Myanmar die Rohingya vor Genozid schützen müsse. Die Anhörungen sollen eine Woche dauern.
Seit dem Putsch vom 1. Februar 2021 wird Myanmar erneut von Militärs beherrscht. Durch den Umsturz war die zivile Regierung unter Aung San Suu Kyi nach knapp fünf Jahren im Amt gestürzt worden.
Das westafrikanische Gambia hatte die Klage im November 2019 im Namen der „Organisation für Islamische Zusammenarbeit“ eingereicht. Die Vorwürfe stützen sich wesentlich auf einen Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen von 2018. Darin beschuldigen die UN-Ermittler Myanmars Armee des Völkermordes sowie der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seit Ende August 2017 flüchteten mehr als 740.000 Rohingya aus Myanmars Bundesstaat Rakhine nach Bangladesch. Die damalige Regierung unter Suu Kyi gilt als mitverantwortlich. Heute leben in Rakhine noch schätzungsweise 600.000 Rohingya.
Suu Kyi bestritt die Vorwürfe
Bei ersten Anhörungen im Dezember 2019 hatte Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi die Vorwürfe bestritten. An den Internationalen Gerichtshof appellierte sie damals, die Klage abzuweisen. Noch kurz vor dem Militärputsch hatte Myanmars zivile Regierung vorläufigen Einspruch gegen die Zuständigkeit der Den Haager Richter eingelegt. Auch sei Gambia nicht berechtigt gewesen, eine entsprechende Klage einzureichen.
Am Jahrestag des Putsches teilte das politische Lager um die gestürzte Suu Kyi jedoch mit, es ziehe die Einwände zurück. Zugleich erklärte die aus Gegnern der Militärjunta bestehende „Regierung der Nationalen Einheit“ (NUG), einzig Myanmars ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, Kyaw Moe Tun, sei befugt, das Land zu repräsentieren. Die NUG kämpft international darum, als legitime Regierung Myanmars anerkannt zu werden. Längst geht das Militärregime nicht nur brutal gegen die Rohingya vor, sondern überzieht das ganze Land mit Terror. „Sollte der IGH das Militär anerkennen, würde er die Junta ermutigen, ihre täglichen Gräuel fortzusetzen“, hieß es in der Erklärung der NUG vom 1. Februar dieses Jahres.
Menschenrechtler äußerten sich ähnlich: Akzeptiere das höchste UN-Gericht die Junta als Vertreterin, sende dies „eine schreckliche Botschaft an die Menschen in Myanmar, die eine Militärherrschaft eindeutig ablehnen“, erklärten die Organisationen Legal Action Worldwide, Fortify Rights und Myanmar Accountability Project.