Nicaraguanischer Dichter und Befreiungstheologe Cardenal gestorben

epd-bild/Uwe Möllers
Ernesto Cardenal ist tot.
Er gilt als einer der bekanntesten Vertreter der Theologie für die Armen und als einer der bedeutendsten Dichter Nicaraguas. Nun starb der 95-Jährige an Herzversagen.

Oaxaca de Juárez, Managua (epd). Der Dichter Ernesto Cardenal ist tot. Der nicaraguanische Theologe und Revolutionär starb am Sonntag (Ortszeit) im Alter von 95 Jahren. Er sei in der Hauptstadt Managua an Herzversagen gestorben, nachdem er vier Tage zuvor wegen Atemproblemen in ein Krankenhaus eingeliefert worden sei, berichtete die Tageszeitung "La Prensa". Weggefährten und Politiker würdigten seinen Einsatz und seine Poesie.

Cardenal soll am Samstag auf dem Insel-Archipel Solentiname im Nicaraguasee beerdigt werden. Am Mittwoch wird die Trauerfeier in der Kathedrale Managuas stattfinden. Die Regierung von Präsident Daniel Ortega, den Cardenal in den vergangenen Jahren wegen seines diktatorischen Regierungsstils heftig kritisiert hat, ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Mitstreiter Cardenals kritisierten die Haltung des Präsidenten als Zynismus, so etwa der Sänger und Komponist Carlos Mejía Godoy, der wegen seiner Opposition gegen das Ortega-Regime ins benachbarte Costa Rica fliehen musste.

Einer der bedeutendsten Vertreter der Befreiungstheologie

"Er ist ruhig und sanft in den Kosmos gegangen, den er besang", erklärte die Autorin Gioconda Belli auf Twitter. In der spanischen Zeitung "El País" schrieb sie: "Er verband zwei für die nicaraguanische Identität wesentliche Eigenschaften: den Kampfgeist für die geliebte Heimat und die Liebe zur Poesie. Für uns, für Nicaragua, ist es hart, ihn verschwinden zu sehen. Wir werden seine schwarze Baskenmütze, seine Gestalt, seine Stimme, während sie uns Gedichte vorlas, seine heilige Entrüstung gegen die Tyrannei vermissen."

Cardenal galt als einer der bedeutendsten Vertreter der Befreiungstheologie, mit der sich lateinamerikanische Geistliche in den 60er Jahren auf die Seite der Armen stellten. In den 70er Jahren unterstützte er den Kampf der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) gegen den Diktator Anastasio Somoza. Nach dessen Sturz 1979 bekleidete Cardenal bis 1987 das Amt des Kulturministers der sandinistischen Regierung unter Daniel Ortega. Später stellte sich der Priester wie die meisten Intellektuellen des Landes gegen Ortega. Er warf ihm Korruption vor und kritisierte die "absolute, unendliche und grenzenlose" Macht des Staatschefs, nachdem dieser 2007 wieder an die Regierung gekommen war.

Immer wieder schikaniert und verfolgt

Nicht nur von den sandinistischen Behörden wurde der Dichter immer wieder schikaniert und verfolgt. Wegen seines politischen Engagements und seiner Berufung zum Minister hatte Papst Johannes Paul II. Cardenal 1985 die Ausübung des priesterlichen Dienstes verboten. Erst im Februar vergangenen Jahres hob Papst Franziskus die Sanktionen auf.

Cardenal zählt neben Rubén Darío zu den bedeutendsten Dichtern Nicaraguas. Für seine Bücher erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, so auch den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 2005 war er für den Literaturnobelpreis nominiert worden.

Ein Idol der Linken

In Deutschland war Cardenal ein Idol der Linken: Linken-Politiker Bodo Ramelow würdigte den Verstorbenen: "Ein großer Mensch ist von uns gegangen. Ein stiller Revolutionär, der auf der Seite der Armen stand. Ein Mensch des Wortes und nicht der Gewalt." Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, twitterte: "Ein Revolutionär, ein Geistlicher, ein Menschenfischer, Dichter, Politiker ist gegangen. Seine Entschlossenheit & unbedingte Solidarität werden fehlen."

Der 1925 in Granada geborene Cardenal studierte Literatur, Philosophie und Theologie in Nicaragua, Mexiko, Kolumbien und den USA. 1965 wurde er zum Priester geweiht. Kurz darauf gründete er auf dem Solentiname-Archipel im Nicaraguasee eine christliche Gemeinschaft, die sich an sozialistischen Idealen orientierte.

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Ein großer Theologe ist gestorben, der mit einfachen Menschen (gente sencilla) das Evangelium ausgelegt und gelebt hat. Davon zeugt sein Hauptwerk "El Evangélio de Solentiname" (Das Evangelium von Solentiname). Es verbindet Spiritualität mit Politik. !Hasta siempre!

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