Wohngemeinschaft von Milizionären und Ex-Präsidenten

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epd-bild: ICC-CPI

Zellentrakt der Haftanstalt.

Strafgerichtshof
In einer Haftanstalt in Den Haag sitzen die Angeklagten des Internationalen Strafgerichtshofs während ihres Prozesses. Wie in einer WG leben frühere Rebellenführer und gestürzte Präsidenten zusammen - äußerst friedlich.

Den Haag (epd). Auf dem Küchenschrank liegen dicke Maniok-Wurzeln, im Regal stapeln sich Dutzende Packungen Reis, Mais und braune Bohnen. Hier wird afrikanisch gekocht. Der Raum erinnert an ein Studentenwohnheim oder eine Großküche: die Einrichtung aus mattem Stahl, um sie leicht sauber halten zu können, tiefe Töpfe und mehrere Kühlschränke, in denen jeder Bewohner sein eigenes Fach hat.

Genutzt wird die Küche aber nicht von Studenten oder einem Kochteam, sondern von Männern, die sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantworten müssen. Das erste ständige internationale Tribunal, das Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verfolgen kann, besteht seit 20 Jahren.

Abends und an Tagen, an denen keine Gerichtsverhandlungen stattfinden, haben die Gefangenen Zeit zum Kochen. Manchmal rieche der ganze Flur nach Frischgebackenem, sagt Paddy Craig, Chef der Anstalt für die internationalen Insassen. "Manche sind jedoch bessere Köche als andere", fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.

Haftanlage in Scheveningen

Das Gebäude 4 der Haftanlage in Scheveningen, einem Vorort von Den Haag, beherbergt die Personen, die vor dem Strafgerichtshof oder den anderen Tribunalen angeklagt sind oder darauf warten, für ihre Haftstrafe in ein anderes Land überstellt zu werden. Das Gebäude steht auf dem Gelände einer niederländischen Justizvollzugsanstalt und ist von Backsteinmauern umgeben, die bis zum ersten Stockwerk reichen. Der Strafgerichtshof mietet beim niederländischen Staat die Zellen. Derzeit leben sechs Männer im Trakt des Strafgerichtshofs.

Unter ihnen ist Laurent Gbagbo, der frühere Präsident der Elfenbeinküste, der sich wegen der Gewalt nach den Wahlen 2011 verantworten muss. Auch Dominic Ongwen ist hier, ein Stellvertreter des berüchtigten ugandischen Rebellenführers Joseph Kony, dessen "Widerstandsarmee des Herrn" über Jahrzehnte hinweg die Bevölkerung im Norden Ugandas und später in Teilen Zentralafrikas terrorisiert hat. Der einzige unter ihnen, der bereits verurteilt wurde, ist der Malier Ahmad al-Faqi al-Mahdi. Er hat die Zerstörung von Kulturgut in Timbuktu gestanden - ein Kriegsverbrechen.

Sie leben in sauberen, aber schmalen Zellen, in denen es eine Toilette, ein Waschbecken, einen Fernseher und ein Bücherregal gibt. Anders als in den Medien zuweilen berichtet wird, entspricht der Standard keinem Luxushotel, sondern eher einer Jugendherberge. Im Flur riecht es nach Reinigungs- und Desinfektionsmittel, wie in einem Krankenhaus.

Um 7 Uhr werden die Zellen geöffnet

"Unsere Einrichtung ist relativ offen, aber es bleibt eine Haftanstalt", erklärt Craig. Um 7 Uhr morgens werden die Zellen geöffnet, bis 20.30 Uhr am Abend - nur während der Pausen der Wärter zwischen 12 und 13 Uhr und zwischen 17 und 18 Uhr müssen die Männer zurück. Im Vergleich zu einem normalen Gefängnis hätten die Bewohner relativ viele Freiheiten, sagt Thijs Bouwknegt vom Niederländischen Institut für Kriegs-, Holocaust- und Genozid-Studien (NIOD), der die Einrichtung ebenfalls vor kurzem besuchte. "Die meisten Insassen sind noch nicht verurteilt, auch für sie gilt die Unschuldsvermutung."

Auch die Atmosphäre sei anders als im normalen Vollzug, berichtet Craig. Entspannter und freundlicher. Probleme, wie sie sonst in Gefängnissen auftreten, gebe es hier nicht: kein Drogen- oder Alkoholmissbrauch, keine Gewalt.

Im Gegenteil: Regelmäßig kochen und essen die Männer gemeinsam. In den vergangenen Jahren standen in verschiedenen Verfahren die Anführer verfeindeter Milizen vor Gericht, die sich im Ostkongo blutige Kämpfe geliefert hatten. Als sie sich in der Haftanstalt in Den Haag wieder über den Weg liefen, blieb die Gewalt jedoch außen vor.

Garten im Hof

Nur im Sport treten die Männer gelegentlich gegeneinander ein. Im ersten Stockwerk gibt es eine Sporthalle, in der manchmal gekickt wird - entweder mit den Wächtern oder den Bewohnern der anderen Flure, die vor dem Jugoslawien-Tribunal angeklagt sind, einem der anderen Gerichte in Den Haag. Unten im Hof wurden ein Tennisfeld und ein kleiner Garten angelegt, in dem Tomaten, Kartoffeln und Spinat wachsen. Einrichtungsleiter Craig sagt: "Wir versuchen, ein bisschen Normalität herzustellen."

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