Der neue alte Retter in der Not

Noch vor kurzem sah es so aus, als habe der Internationale Währungsfonds (IWF) als oberste Weltfinanz- und  Kreditinstitution ausgedient. Der Ruf war lädiert, besonders den Entwicklungs- und Schwellenländern haben die Rezepte des Fonds in der Vergangenheit oft mehr geschadet als genutzt, seine Kredite wurden kaum noch nachgefragt. Jetzt rückt der IWF wieder in den Blick: als potenzieller Retter aus der globalen Finanzkrise. Bei einer Bundestagsanhörung im Dezember erörterten Experten, wie es mit dem Fonds weitergehen könnte.

Anlass für die Anhörung im Finanzausschuss des Parlaments war ein Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem Ziel, den Weg freizumachen für eine Reihe überfälliger Maßnahmen zur Modernisierung des Fonds. Und das heißt vor allem: Eine Stimmrechtsreform zu verwirklichen, die den ökonomischen Kräfteverschiebungen in der Welt Rechnung trägt und auch die Entwicklungsländer angemessen an der Entscheidungsfindung im IWF beteiligt. Trotz einer Korrektur der Stimmrechtsquoten 2006 zugunsten Chinas, Mexikos, Südkoreas und der Türkei besteht – gemessen an der volkswirtschaftlichen Leistung – bislang ein krasses Missverhältnis zugunsten der USA und besonders der EU-Länder.

Das soll sich jetzt ändern. Das komplizierte Geflecht aus Basisstimmen und Quoten wird neu justiert, um den ärmeren Ländern ein stärkeres Gewicht zu verleihen. Bis jetzt verfügen die 36 führenden Industrieländer über zwei Drittel der IWF-Stimmen. Das restliche Drittel verteilt sich auf 149 Schwellen- und Entwicklungsländer, darunter China, Indien und Brasilien. Doch abgesehen davon, dass die seit April 2008 angestrebte Neuregelung die unausgeglichenen Kräfteverhältnisse lediglich etwas zurechtrücken würde, bleibt mehr als fraglich, ob der IWF eine angemessene Rolle in der gegenwärtigen Finanzkrise zu spielen in der Lage ist.

Während Experten der Bundesbank und vom IWF selbst bei der Anhörung vor den Volksvertretern des Bundestags den Fonds auf dem richtigen Weg sahen, zweifelten andere an dessen Selbsterneuerungskraft. Die Skepsis speiste sich aus der Geschichte ebenso wie aus aktuellen Beispielen. Noch immer herrsche ein tief sitzender Glaube in die Segnungen staatlicher Deregulierung und in möglichst ungebremste Marktkräfte vor, analysierten kühl der Deutsche Gewerkschaftsbund und die nichtstaatliche Organisation Weed. Unvergessen sei die unrühmliche, Krisen verschärfende Rolle des IWF in Argentinien, Indonesien, Südkorea und anderswo, so die Stiftung Wissenschaft und Politik. Das Resümee: „Die Vorbehalte der Entwicklungs- und Schwellenländer gegen den IWF sitzen tief.“ Dennoch schlug IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn Mitte Januar Alarm, der Fonds benötige wegen der Finanzkrise schnell zusätzliche 150 Milliarden US-Dollar für Notkredite an gefährdete Länder.

Mit Blick auf diese neue Nachfrage nach IWF-Geld und pünktlich zur Bundestaganhörung meldete sich auch das Netzwerk attac: Selbst die jüngsten Kredite des IWF an Ungarn, die Ukraine und Pakistan blieben den alten,  knebelnden Regeln verhaftet: „Offenbar wird nur den reichen Industrieländern zugebilligt, der gegenwärtigen Krise mit höherer Verschuldung und staatlichen Investitionen zu begegnen“, schlussfolgern die Globalisierungskritiker.

Tatsächlich sehen nicht Wenige eher die Gruppe der G-20-Länder und nicht den IWF als das geeignete  Steuerungsgremium zur Bewältigung der gegenwärtigen Krise an – es sei denn, der IWF mutiert zur „Durchführungsorganisation“ dieser Gruppe, in der neben den Industrieländern auch die aufstrebenden Schwellenländer vertreten sind. Spätestens seit dem Weltfinanzgipfel in Washington im vergangenen November ist die G-20 im Begriff ist, den Exklusivclub der G-7/8-Länder als Instanz zur Regelung globaler Wirtschafts- und Finanzfragen abzulösen. Allerdings: An einem Demokratie- und Legitimationsdefizit krankt auch die G-20. Namentlich nichtstaatliche Organisationen fordern deshalb eine neue Finanzarchitektur unter dem Dach der UN.

Johannes Schradi

erschienen in Ausgabe 2 / 2009: Migration: Zum Schuften in die Fremde
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