REDD: Zum Nutzen auch der Waldbewohner

Waldschutz trägt zum Klimaschutz bei. Internationale Programme sollen deshalb für im Wald gebundenen Kohlenstoff zahlen, damit Tropenländer die Abholzung bremsen. Kriritker sagen, das mache
die Natur zur Ware und schaffe Schlupflöcher für große Klimasünder. Doch das ist falsch.

Die Idee, Entwicklungsländer dafür zu bezahlen, dass sie Tropenwälder schützen und so weniger Treibhausgase durch Abholzung freisetzen, wird erst seit 2007 intensiv diskutiert. Der Ansatz ist als REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) bekannt und hat schnell Hoffnungen geweckt, man könne damit bis zu einem Drittel der Emissionsminderungen bewirken, die zur Erreichung des Zwei-Grad-Zieles notwendig sind.

Die Idee hat Kritiker auf den Plan gerufen. Sie fürchten, dass sich Industrieländer von ihren Reduktionsverpflichtungen zu Hause freikaufen, sobald die mittels REDD bewirkten Emissionsminderungen auf einem globalen Kohlenstoffmarkt gehandelt werden: Industrieländer könnten dort Zertifikate kaufen, die ihnen zusätzliche Emissionen aus Energiewirtschaft und Verkehr erlauben würden.

Diese Kritik hatte ihren Höhepunkt 2008-09. Seitdem ist sie abgeebbt, weil mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise die Aussichten auf eine schnelle Einigung bei den UN-Klimaverhandlungen gesunken sind. Zudem herrscht im europäischen Emissionshandel ein Überangebot von Zertifikaten und die Preise sind sehr niedrig; daher ist das Ziel, REDD-Zertifikate auf den Markt zu bringen, selbst für diejenigen, die dieses Ziel verfolgten, in weite Ferne gerückt.

Im Artikel „Rechenspiele mit dem Wald“ feiert nun diese Kritik fröhliche Urstände. Das von der KfW mit Mitteln des Bundesentwicklungs- und des Bundesumweltministeriums (BMZ und BMUB) geförderte REDD-Vorhaben im Bundesstaat Acre in Brasilien muss als Beleg herhalten. Die Kritik lautet, REDD laufe erstens zwangsläufig auf handelbare Emissionszertifikate hinaus und kommerzialisiere zweitens die Natur, wobei vor allem Kleinbauern, Kautschuksammler und Indigene den Kürzeren zögen.

 Satellitenbilder belegen den Erfolg des Programms

Einer sorgfältigen Analyse hält diese Argumentation für den Bundesstaat Acre nicht stand. Das von der KfW geförderte REDD Early Movers Programm (REM) generiert keine handelbaren Zertifikate – dies ist vertraglich ausgeschlossen. Die vergüteten Emissionsminderungen werden in ein Kohlenstoffregister eingetragen, damit sie nicht erneut verkauft werden können, und auf Dauer aus dem Verkehr gezogen. Das REM ist eine ergebnisbasierte Form klassischer Entwicklungszusammenarbeit.

Der Artikel suggeriert weiter, dass Emissionsreduktionen nicht nachprüfbar seien. Das ist falsch. Satellitendaten zeigen eindeutig, dass die Entwaldung in Acre in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. REM vergütet die Erfolge dieser Emissionsminderung auf der Ebene des Bundeslandes. Für die Berechnung werden 123,5 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar erhaltener Waldfläche zugrunde gelegt, das ist konservativ verglichen mit den Standardwerten des Weltklimarates IPCC für südamerikanischen Tropenwald (141 Tonnen pro Hektar). Für jede Tonne, die REM vergütet, legt der Bundesstaat Acre eine weitere still und trägt sie in das Kohlenstoffregister ein.

Einer der größten Verdienste von REM ist es, dass durch die Kooperation mit dem bundesstaatlichen Umweltdienstleistungssystem SISA ein verbindlicher Referenzrahmen für ein sehr konservatives Kohlenstoffbuchhaltungssystem geschaffen wurde, an dem sich auch andere orientieren. Der Vergütung von „heißer Luft“ ist dadurch ein Riegel vorgeschoben.

Es geht nicht um die Kommerzialisierung des Waldes

REM treibt auch nicht die Kommerzialisierung des Waldes voran. Die Bezahlung von Umweltdienstleistungen wird gezielt unterstützt, um Einkommen ohne steigenden Flächenverbrauch zu schaffen. Die Verwertung der Ressourcen Wald und Boden läuft unabhängig von REDD auf Hochtouren. In vielen Teilen der Welt geschieht dies in Wildwest-Manier. Gerade in Acre haben die sozialen Kämpfe seit dem 1988 ermordeten Waldschützer Chico Mendes dazu beigetragen, dass den Cowboys einige Fußfesseln angelegt wurden. Es gibt Gesetze, die die Landnutzung neu regeln und die Teilhabe von Kautschukzapfern und Indigenen erhöhen. Das SISA-Gesetz von 2010 ist auf die Förderung von alternativen Einkommensmöglichkeiten gerichtet und steht in einer Tradition der Einhegung des „wilden Kapitalismus“ in Amazonien.

Die Kritik an der Kommerzialisierung des Waldes führen die Kritiker selbst ad absurdum, indem sie einen höheren Preis für vermiedene Emissionen fordern. Im genannten Artikel heißt es, dass mit fünf US-Dollar pro Tonne keine Wirkung erzielt werden könne. Es ist klar, dass finanzielle Anreize allein viele Waldzerstörer nicht stoppen können. Dies gilt insbesondere für die Soja- oder Palmölproduktion, die hohe Gewinne pro Hektar abwerfen. Beide Kulturen spielen in Acre aber keine Rolle.

Autor

Karl-Heinz Stecher

ist Koordinator des globalen Programms „REDD für Early Movers“ in der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Nur die Opportunitätskosten – also die Ertragseinbußen, die ein Verzicht auf Waldnutzung bedeutet – zu kompensieren, wäre noch aus anderen Gründen problematisch. Es wäre schlicht unfair, wenn diejenigen, die in der Vergangenheit viel entwaldet haben, am meisten von REDD profitieren würden. Unter REM werden sowohl Akteure unterstützt, die bisher Treiber der Entwaldung waren (Viehzucht, Landwirtschaft) und Opportunitätskosten geltend machen könnten, als auch solche, die traditionell den Wald schützen und aus ihm ihren Lebensunterhalt ziehen wie Kautschukzapfer und Indigene. REDD lebt vom Ineinandergreifen von Umweltkontrolle, Landtitelvergabe, finanziellen Anreizen und spezifischen Förderprogrammen, in denen Acre Pionier ist.

Im Rahmen von SISA sind weder die kleinbäuerliche Landwirtschaft noch der Wanderfeldbau verboten. Waldschutz wurde nicht auf dem Rücken von Kleinbauern betrieben, sondern der Bundesstaat wie auch die brasilianische Zentralregierung sind konsequent gegen illegale Abholzung für die Viehzucht vorgegangen. Das hat dazu geführt, dass die Entwaldung in Amazonien zwischen 2004 und 2014 um 83 Prozent und in Acre um 57 Prozent zurückging. In Acre sind heute kaum noch große Abholzungen zu sehen.

REM-Gelder fördern unter anderem traditionelle Gummizapfer mittels eines Preisaufschlags für Naturkautschuk sowie Pflanzungen auf degradierten Flächen, die zur Diversifizierung der Einkommen von Kleinbauern beitragen. Beides hat nichts mit industriellen Kautschukplantagen zu tun – die werden nicht über REM gefördert. REM unterstützt dagegen den Transport von Kautschuk aus abgelegenen Waldgebieten zur Kondomfabrik in Xapuri. Damit wird eine beispielhafte Wertschöpfungskette gefördert, die von den traditionellen Kautschukzapfern bis zur Verteilung der Kondome zur Aids-Prävention in den Großstädten Brasiliens reicht.

Die KfW fördert keine privaten REDD-Projekte

Private REDD-Projekte fördert die KfW nicht. Der Fall des Purus-Projektes, das Emissionszertifikate an die FIFA verkauft hat, zeigt aus unserer Sicht die Kontrollfunktion des bundesstaatlichen Umweltdienstleistungssystems SISA: Das Purus-Projekt wurde nicht ins SISA aufgenommen, weil die Landrechte nicht ausreichend geklärt waren. Für solche privaten Projekte, die voraussichtlich auch in Zukunft einen sehr geringen Umfang haben werden, wurde in Acre eine großzügige Reserve für jährliche Emissionsminderungen in Höhe von zehn Prozent eingeplant. Somit wird eine Doppelzählung von Emissionsreduktionen vermieden, auch wenn ein Projekt nicht im SISA registriert ist.

SISA und REM leisten einen Beitrag dazu, dass REDD nicht unreguliert über private Projekte, sondern in einem transparenten gesetzlichen und ordnungspolitischen Rahmen vonstatten geht. Gleichzeitig werden neben Kleinbauern auch Kautschukzapfer und Indigene begünstigt, die den Wald in der Vergangenheit geschützt haben und dies auch weiterhin tun sollen. SISA und REM sind Teil einer innovativen Lösung, um den Lebensraum für indigene Völker und waldabhängige Familien in Acre langfristig zu sichern.

 

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erschienen in Ausgabe 2 / 2015: Wohnen: Alle ab ins Hochhaus?
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