Bakterien – Nutzen und Schaden

Der Begriff „Bakterien“ beschwört die Vorstellung einer Armee Übel bringender Keime herauf, die es zu besiegen gilt. Darin sind sich der britische Bakteriologe Hugh Pennington und der österreichische Journalist Bert Ehgartner einig. Auch darin, dass dieser Eindruck täuscht, weil die meisten Bakterien, die den Menschen besiedeln, ihm nützen und nicht schaden. Wo jedoch der emeritierte Professor der Universität von Aberdeen kurzweilig und kenntnisreich die Fortschritte der Wissenschaft im Umgang mit Pest, Typhus und anderen Geißeln der Menschheit schildert, beleuchtet  Ehgartner diese Fortschritte deutlich kritischer.

Pennington beschreibt unter anderem, wie die Ende des 19. Jahrhunderts von Louis Pasteur erfundene Pasteurisierung der Milch die Zahl der Kinder, die an abdomineller Tuberkulose (die befällt den Darm) erkrankten und starben, stark sinken ließ. Das bestreitet Ehgartner nicht. Aber er betont, dass durch die Erhitzung der Milch auch wertvolle Bakterien zerstört werden, die für ein intaktes Immunsystem wichtig sind. Pennington kommentiert diesen Aspekt knapp mit dem Hinweis, dass sich zahlungskräftige Konsumenten in reichen Ländern nach wie vor für Rohmilchprodukte entscheiden könnten, er selbst darin aber eher ein Luxusproblem sieht.

Ob es um Impfungen geht, Antibiotika oder Resistenzen dagegen: Pennington sieht sie vor allem als Errungenschaften und mahnt einen bewussten Umgang damit an, um diese Waffen nicht stumpf werden zu lassen. Ehgartner dagegen spricht sich für eine ganzheitliche Medizin und einen deutlich restriktiveren Einsatz von Antibiotika und Impfungen aus. Seine Helden sind weniger Louis Pasteur, Robert Koch oder Alexander Fleming als „Erfinder“ des Penicillins, sondern Sozialmediziner wie Max von Pettenkofer und Rudolf Virchow. Sie, das wird er nicht müde zu betonen, kritisierten die „Generalmobilmachung gegen alle Mikroben“ und setzten sich stattdessen dafür ein, den Körper und sein Immunsystem als Ganzes zu stärken.

In Stil, Herangehensweise und Grundthese unterscheiden sich die beiden Titel deutlich. Wo Pennington anekdotisch referiert und einen zwar kritischen, aber eher zuversichtlichen Ausblick auf den künftigen Umgang mit Infektionskrankheiten gibt, ist Ehgartner – wie schon der Titel verrät – deutlich polemischer.

Dennoch sind die beiden oft näher beieinander, als es zunächst scheint. Auch Pennington geht mehrfach darauf ein, wie wichtig das menschliche Mikrobiom ist, also die Tausende verschiedener Bakterienarten, die unseren Körper bevölkern, und dass es durch bedenkenlosen Umgang mit Antibiotika oder Impfungen Schaden nimmt.

Ehgartner wiederum bestreitet nicht, dass  Hygiene und Antibiotika die Menschen im 19. Jahrhundert auch vor großem Elend gerettet haben: „Sie sind eines der wenigen wirklichen Hilfsmittel, die die Medizin jemals erfunden hat.“ Anders als Pennington widmet er sich jedoch ausdrücklich, wenn auch zuweilen recht pauschal, den (Konzern)Interessen, die hinter der modernen Medizin stehen, und deren Auswirkungen vor allem in Europa und den USA. Für beide Bücher gilt: Eine spannende, anregende Lektüre.

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