Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes fassen wichtige Entwicklungen der vergangenen 20 Jahre in Zentralamerika zusammen. Sie schließen damit viele Informationslücken – über soziale Bewegungen jedoch erfährt man nur wenig.
Die Regale mit Sachbüchern über Zentralamerika sind seit den 1990er Jahren ziemlich ausgedünnt. Nach der Überflutung des Marktes mit politischen Analysen und selbstverliebten Erlebnisberichten aus Nicaragua, El Salvador und Guatemala während der bewegten Dekade mit Revolutionen und Bürgerkriegen herrscht nun Ebbe. In Nicaragua wurden 1990 die Sandinisten abgewählt, und es begann ein politischer Roll-Back unter dem Vorzeichen des Marktliberalismus. El Salvador ist seit 1992 befriedet, Guatemala seit 1996. Honduras dient nicht mehr als Flugzeugträger der USA, auf dem konterrevolutionäre Truppen für den Krieg gegen Nicaragua ausgebildet wurden.
Was ist seitdem passiert? Zwar schweigen die Kriegswaffen, doch El Salvador, Honduras und Guatemala gehören heute zu den Ländern mit dem höchsten Ausmaß von Gewalt. Jugendbanden, entstanden aus Kindern, die in kalifornischen Vorstädten aufgewachsen sind und mit ihren Eltern in die Heimat abgeschoben wurden, bekriegen einander und terrorisieren ihre Wohngegenden mit Schutzgelderpressung. Die aus Mexiko überschwappende Drogenkriminalität hat Institutionen und Gesellschaft durchsetzt. Gewalt gegen Frauen prägt den Alltag.
Der vorliegende Sammelband richtet sich an jene, die mit der Region schon einmal zu tun hatten und ein Minimum an Vorkenntnissen mitbringen. Er fasst anschaulich und knapp die Ereignisse der vergangenen Jahre aus einer regime- und marktkritischen Perspektive zusammen: Eine Art „Update“ für ehemals Solidaritätsbewegte. Und das ist hilfreich. Gaby Küppers, Fachfrau der Grünen Fraktion im Europarlament für Lateinamerika und Handelspolitik, erklärt das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Zentralamerika. Sie macht anschaulich, wer davon profitiert – nämlich Großkonzerne vor allem in Europa – und prophezeit, dass die Bauern und Kleinproduzenten die Verlierer des Freihandels sein werden.
Dass die evangelikalen Kirchen, allen voran die Pfingstkirchen mit Mutterhäusern in den USA, Zentralamerika erobert haben, ist keine Neuigkeit. Aber der Theologe Michael Ramminger stellt nicht nur die unterschiedlichen Strömungen dar, sondern liefert auch Erklärungen, warum die katholische Kirche binnen weniger Jahrzehnte zwischen 30 und 40 Prozent ihrer Mitglieder verloren hat und der konservative Protestantismus reiche Ernte hält.
Belize und Panama gehören zwar geographisch, nicht aber historisch zu Zentralamerika. Belize war bis 1981 eine britische Kolonie, Panama bis 1903 eine Provinz von Kolumbien. Trotzdem werden auch diese beiden Länder gewürdigt, über die auch Lateinamerika-Kenner meistens wenig wissen. Ein kritisches Kapitel über die Auswirkungen des in den vergangenen Jahren sprunghaft gewachsenen Tourismus in der Region rundet den Rundumschlag ab. Das Buch schließt in vielerlei Hinsicht Lücken – doch den Anspruch, über die sozialen Bewegungen und deren Perspektiven in Zentralamerika zu informieren, löst es nur sehr beschränkt ein.
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