Der Mensch als Ware

Was bin ich wert?
Deutschland, 2014, 90 Minuten,
Kinostart: 9. Oktober 2014

Welchen Preis hat ein Menschenleben? Lässt sich das überhaupt berechnen? Der Filmemacher Peter Scharf macht mit seiner leisen und klugen Dokumentation klar, warum es sich lohnt, diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

Es beginnt mit einem Selbstversuch. Regisseur Peter Scharf will seinen Wert ermitteln und fängt dabei mit dem Naheliegenden an, dem eigenen Körper. Schnell muss er feststellen, dass bei ihm nicht mehr viel zu holen ist: Die Spermien sind viel zu langsam, das Haar ist zu kurz und dünn. Wer im globalen Handel mit Körpersubstanzen mitmischen will, muss vitaler sein als der gesundheitlich angeschlagene Dokumentarfilmer. Das zeigt sein Blick in die Ukraine, wo slawisches und asiatisches Echthaar junger Frauen zu mehreren Hundert Euro pro Zopf gehandelt wird.

In Moldawien verkaufen viele junge Männer ein Organ, um ihre Familien zu ernähren. Zwei von ihnen berichten, wie ihnen in der Türkei eine Niere entnommen wurde. Seitdem führen sie nur noch ein halbes Leben, die 2000 Euro für die Niere sind längst weg. Die Käufer, oft kranke Europäer, zahlen für die Operation manchmal das Hundertfache. Beim illegalen Organhandel bemisst sich der Wert einer Niere an der Herkunft seines Trägers. Auch das Geschäft mit Leihmüttern in Indien folgt demselben Prinzip: Der Körper der Armen wird zur Ressource der Reichen.

Der Film, der auf dem gleichnamigen Buch des Journalisten Jörn Klare basiert, zeigt, dass die Monetisierung menschlichen Lebens auch in anderen Bereichen längst Alltag ist. Etwa wenn Gesundheitsexperten berechnen, wie viel ein gesunder Mensch pro Jahr kosten sollte. Oder wenn Richter bemessen, wie viel Schmerzensgeld der Verlust eines Armes wert ist. Besonders aufschlussreich ist, wie der US-amerikanische Staat die Höhe der Entschädigung für Angehörige der Opfer des 9. Septembers 2001 festlegte: Nach Einkommen und Alter. Im Durchschnitt gab es zwei Millionen US-Dollar, für junge Besserverdiener auch wesentlich mehr.

Der kalten Zahlenlogik setzt der Film viel Menschlichkeit entgegen. Und das Unbehagen über die Reduzierung des Einzelnen auf seinen ökonomischen Nutzen. Auf der anderen Seite wäre es in einer Welt, in der vieles dem Kosten-Nutzen-Prinzip folgt, nur konsequent, auch den gesellschaftlichen Beitrag von Menschen mit einem Zahlenwert zu versehen. Etwa wenn Arbeitnehmer nicht nur als Kostenfaktor, sondern eben als Humankapital und wertvolle Investition behandelt werden. Dass die ökonomische Bewertung auch benachteiligten Randgruppen nutzen könnte, rechnet im Film ein Sozialarbeiter im schottischen Glasgow vor. Mit wenig Geld könnten Jugendliche in vernachlässigten Vororten aus der Spirale der stumpfen Gewalt befreit werden. Das hat wenig mit Verwertung zu tun, aber viel mit Wertschätzung. (Sebastian Drescher)

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